Tag 77: “Wir wollen hier keine Geschichten hören, wir wollen Fakten hören”

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Tag 77: “Wir wollen hier keine Geschichten hören, wir wollen Fakten hören”

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Der Tag beginnt mit gut 40 Minuten Verspätung. In Düsseldorf herrscht Verkehrschaos. Alle Straßenbahnen haben Verspätung, sind rappelvoll. Von der Altstadt bis zur Außenstelle des Duisburger Landgerichts im Kongresszentrum haben sie mit dem Auto statt zehn ganze 40 Minuten gebraucht, berichten einige Nebenklage-Anwälte. Der Grund: Sperrung des Rheinufertunnels.

Verantwortung unter den Teppich gekehrt?

Die Befragung des geladenen Polizeibeamten durch Staatsanwaltschaft, Nebenkläger und Verteidigung verläuft hölzern. Wie gehabt antwortet der Zeuge oft, er könne sich an die jeweiligen Details nicht erinnern. Er wird ungehalten, als die Verteidiger ihm – mithilfe kommentierender Fragestellungen – offenkundig diese Erinnerungslücken nicht abnehmen, Absprachen unterstellen, die Polizei habe nach dem Unglück mögliche belastende Fakten unter den Teppich kehren wollen.

Wo waren die Ordner?

Wieder geht mir die Art der Befragung durch einige der Verteidiger gegen den Strich. Handwerklich mag es in Ordnung sein, zu kommentieren, despektierliche Bemerkungen zu machen, ironisierende Adjektive zu benutzen, nur: Inwieweit das der Wahrheitsfindung dienlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Das Ziel scheint eher zu sein, den Zeugen zu verunsichern, unglaubwürdig zu machen und den Fokus der Verantwortung einmal mehr auf die Polizei zu lenken. Auf die Frage des Anwalts eines Lopavent-Mitarbeiters, wo die Polizei war, als es kritisch wurde, sagt der Zeuge: “Diese Frage möchte ich mit einer Gegenfrage beantworten: Wo waren die Ordner?” Das kommentiert Richter Plein schließlich mit: “So etwas passiert, wenn hier statt klarer Fragen Geschichten erzählt werden. Wir wollen hier keine Geschichten hören, wir wollen Fakten hören, also klare Fragen und klare Antworten.” Sein Wort findet nur sehr begrenzt Gehör.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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