Heute ist alles anders. Die Routine, die sich in den zurückliegenden 96 Verhandlungstagen eingeschlichen hat, wird durchbrochen von Übertragungswagen, Kamerateams und Reportern, die mit Notizblöcken an der Rolltreppe im Foyer des Messe-Saals lauern. Heute findet das mit Spannung erwartete Rechtsgepräch statt.
Oben, im ersten Stock sitzen 56 Juristen. Sie beraten darüber, was der Loveparade-Prozess bisher gebracht hat und ob er weitergehen soll. Es ist ein informelles Gespräch, an dem Journalisten, Zuschauer und Hinterbliebene nicht teilnehmen dürfen. Die Juristen trügen keine Roben, erklärt der Gerichtssprecher. Das ist nicht mehr als eine Randnotiz, aber auch solche Informationen nimmt man als Wartender dankend an.
Verteidiger: “Gericht hält Einstellung für durchaus denkbar”
Gegen 11 Uhr tut sich etwas. Verteidiger Gerd-Ulrich Kapteina erklärt auf dem Weg in die Kaffeepause: “Das Gericht hält eine Einstellung des Verfahrens für durchaus denkbar.” Ein Nebenklägeranwalt bestätigt das. Kaum ist diese Information in der Welt, beginnt das hektische Tippen der Laptop-Tastaturen, Reporter informieren ihre Redaktionen in den Büros.
Primäre Frage: Einstellung mit oder ohne Auflage?
Von einer Fortsetzung des Verfahrens ist schon am Mittag keine Rede mehr. Die Frage ist vielmehr: Einstellung gegen Geldauflage? Und wenn ja: Für alle oder nur für einzelne Angeklagte? Die Angeklagten wollen einer Geldauflage nicht zustimmen, erklärt Kapteina. Sie seien aber bereit, das Verfahren einzustellen, auch wenn ein Freispruch in ihren Augen gerechtfertigt wäre.
Anders äußert sich Nebenklägeranwalt Julius Reiter: “Wir könnten mit einer Einstellung leben, wenn sie unter bestimmten Auflagen erfolgte und wenn der Einstellungsbeschluss dahingehend wäre, dass man Verantwortlichkeiten feststellt, auf deren Grundlage die Hinterbliebenen und Verletzten gegen Institutionen vorgehen können.” Das klingt nach einem bescheidenen Wunsch, hatte Reiter zu Prozessbeginn doch fest mit Verurteilungen gerechnet.
Schwer für Opfer und Hinterbliebene
Für Opfer und Hinterbliebene, erklärt Reiter, sei “damit nicht einfach umzugehen”. Aber: “Es ist prozessual zu erklären, dass es zu diesem Schluss kommt.”
Das Rechtsgespräch ist wohl der Anfang vom Ende des Loveparade-Prozesses. Morgen äußert sich das Gericht zum Verlauf des Gesprächs. Auch wenn alles darauf hindeutet, dass dieses Verfahren bald ohne Urteil zu Ende gehen wird: Ein paar Verhandlungstage wird es noch geben.