Tag 131: Wenige Erkenntnisse

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Tag 131: Wenige Erkenntnisse

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Die Justizbeamtin vor der Saaltür hat sich auf einen langen Tag eingerichtet: In der Kühltasche lagern zweites Frühstück und Mittagessen, in einer anderen Tasche etwas zu Lesen. Es ist bemerkenswert, welchen Sicherheitsaufwand das Gericht für diesen Prozess betreibt – 30 Kollegen sind hier in der Düsseldorfer Außenstelle des Duisburger Landgerichts im Einsatz, schätzt die Frau. Aber wenn es eine Lehre aus dem Unglück gibt, dann die: Im Zweifel lieber mehr Sicherheit, als an den falschen Stellen zu wenig.

Gewohnte Muster

Wo genau bei der Loveparade 2010 zu wenig für die Sicherheit getan wurde, der Beantwortung dieser Frage sind wir durch den Zeugen heute meinem Eindruck nach nicht nähergekommen. Ganz auf ihrer ursprünglichen Linie, versucht die Verteidigung zwar, den Blick auf die Polizeiketten als Ursache für das tödliche Gedränge zu lenken. Der Zeuge – selbst Polizeibeamter – sieht das aber anders. “Wir sind in eine Situation hineingerutscht, die nicht geplant war. Wir mussten von unserem Auftragsplan abweichen. Wir sind in eine Situation hineingeworfen worden, auf die wir uns nicht vorbereiten konnten.”

Das Trauma

In der Nachbetrachtung habe es unter den Kollegen den Konsens gegeben, richtig gehandelt zu haben. Dem Zeugen ist anzumerken, dass er damals, am 24. Juli 2010, mitten in das tödliche Gedränge geraten war. Gefragt, was er konkret erlebt hat, wird die Gestik und Mimik des ansonsten ruhigen Mannes fahrig. Die Erlebnisse hat er vielleicht verarbeitet – vergessen wird er sie vermutlich nie. Berufsunfähig sei wegen der Ereignisse bei der Loveparade niemand aus seinem Zug geworden, sagt er auf Nachfrage. “Ich weiß, dass wir alle Möglichkeiten der Nachsorge angeboten haben. Ob man die dann nutzt, muss jeder für sich selbst entscheiden.”

Blick in die Zukunft

Gerichtsrelevante Erinnerungen hat der Zeuge offenbar kaum und nach weniger als drei Stunden wird er entlassen. Für das Gericht stellt sich anschließend die große Frage: Wie geht es weiter mit dem Prozess? Von möglicher Einstellung ohne Auflagen zum Jahresende aus den Reihen der Verteidigung bis hin zu Überlegungen, in welcher Form und ob der Gutachter gehört werden sollte, sind die Vorschläge vielfältig. Der Richter will darüber nachdenken.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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