Der erste Zeuge des Tages ist sehr knapp, aber klar in seiner Schilderung der Ereignisse und in der Beantwortung der Fragen. Er trennt präzise zischen Erinnerung und plausibler Schlussfolgerung, er spricht laut und deutlich. Der heute 38-Jährige und vier Kollegen sollten bei der Loveparade von erhöhten Standorten aus – also etwa von einem Gerüst oder einem Hubsteiger – das Geschehen im Auge behalten. Er selbst stand, ausgestattet mit einem Funkgerät, auf einem Gerüst an der Hauptbühne und bekam von dem tödlichen Gedränge zunächst gar nichts mit. Auch in die Planungen war der Zeuge nicht einbezogen, deshalb darf er schon nach rund einer Stunde gehen. Am kommenden Montag sagt sein Kollege aus, der oberhalb der Rampe postiert war und das Geschehen aus der Nähe erlebte.
“Große Waschmaschine”
Hautnah steckte im Wortsinn der zweite Zeuge des heutigen Tages im Geschehen. Der 45-Jährige war als „Pusher“ auf der Rampe und im Tunnel eingesetzt, also als jemand, der dafür sorgt, dass es keine Staus gibt. Er geriet in das Gedränge. Körperliche Verletzungen hat er nicht davongetragen, aber dass das Erlebte ihn noch immer psychisch belastet, ist ihm heute anzumerken. Er redet sehr leise, seine freie Schilderung des Geschehens ist bruchstückhaft. Vor seinem Einsatz habe es eine Begehung gegeben, er habe dann den Pusher gemacht. Später sei er auch im Tunnel unterwegs gewesen. “Ab da war eigentlich nur noch große Waschmaschine und dann hat sich das Ganze aufgelöst und dann war Chaos. Dass ich auf die Toten aufgepasst habe, das weiß ich noch.”
Die Polizeikette
Auch an eine der beiden Polizeiketten im Tunnel kann er sich noch erinnern. Er habe den Gruppenführer angesprochen, der möchte doch jemanden mit einem Megaphon nach hinten schicken, der über die Sperre informiert. Das hätte seiner Meinung nach verhindert, dass von dort nach vorne gedrängt wurde, aber er sei nicht gehört worden. Der Zeuge kann sich an Vieles nicht erinnern – oder er hat es verdrängt. Verständlich, finde ich. Ich mag den Mann, der da vorne so leise sitzt.
Heiterkeit im Gericht
Wie er sich auf die Aussage vorbereitet hat, will der Richter noch wissen. Er habe seine Erinnerungen durchforstet. Und er habe mit seinem Freund telefoniert, der Ende Januar als Zeuge vernommen worden sei. Inhaltlich hätten sie nicht gesprochen, der Freund, der ebenfalls auf der Rampe und im Tunnel eingesetzt war, habe hauptsächlich sein Leid geklagt. Das sei “ne strenge Nummer”, so eine Vernehmung, habe der gesagt. Im Gerichtssaal sorgt das für Gelächter. Der Freund ist der Zeuge, dem Richter Plein erst Haftstrafe androhen musste, damit er aussagt.