Äußerlich hat er sich kaum verändert, der Zeuge, den viele gern auf der Anklagebank gesehen hätten. Nur sein Bart ist etwas grauer geworden. Heute ist Duisburgs ehemaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland als Zeuge geladen. Eine Stunde vor Verhandlungbeginn beobachten bereits dutzende Reporter und Kamerateams, wie Sauerland das Gebäude betritt.
Als Adolf Sauerland im Gerichtssaal Platz nimmt, wirkt er ruhig, fast lethargisch. Während des fast achtstündigen Verhandlungstages wird er meist leicht nach vorne gelehnt sitzen, die Hände zusammengefaltet auf dem Tisch. Manchmal spielt er mit seinen Daumen. Ansonsten regt er sich kaum.
Nicht gewusst, keine Erinnerungen
Keine 10 Minuten benötigt Adolf Sauerland für seine Aussage. Und das, obwohl der Richter ihn gebeten hat, er solle „alles preisgeben, was Ihnen zum Stichwort ´Loveparade 2010´ einfällt.“ Wahrscheinlich ahnt Sauerland, dass ihm ein anschließender Fragenhagel ohnehin nicht erspart bleiben wird.
“Aktiv im Genehmigungsprozess war ich nicht“, ist die Kernbotschaft. Sauerland wiederholt sie mehrfach in verschiedenen Varianten. Später heißt es etwa: „In die konkrete Arbeit in den Dezernaten habe ich mich nicht eingemischt“. Auf viele Fragen gibt er an, nichts gewusst zu haben oder sich nicht mehr zu erinnern. Manchmal geht ein leises, ungläubiges Raunen durch den Zuschauerraum. Sauerland scheint das abprallen zu lassen, wie er so vieles abprallen zu lassen schien, in der Zeit nach dem Unglück.
“Loveparade ist kein Flohmarkt”
Bezeichnend: In der Woche vor der Loveparade sei er im Urlaub und “schlecht erreichbar” gewesen, sagt Sauerland. Aber auf dem Rückweg sei ihm per SMS mitgeteilt worden, dass die Loveparade am kommenden Tag stattfinden könne. Süffisant merkt der Vorsitzende Richter Mario Plein an anderer Stelle an: „Aber Herr Sauerland, wir reden hier ja nicht über einen Flohmarkt in Duisburg-Marxloh“.
Morddrohungen nach der Katastrophe
Am Nachmittag zeigt der Richter Aufnahmen von einer Pressekonferenz wenige Wochen vor der Loveparade. Wie Adolf Sauerland sich beim Ansehen seines Vor-Loveparade-Ichs fühlt, lässt sich nur erahnen. Die Katastrophe hat auch sein Leben komplett verändert: “Am Montag nach der Loveparade hatte ich mehrere Morddrohungen.”