Tag 42: Die Lücke

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Tag 42: Die Lücke

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Der Richter klingt etwas müde in der Sache, als er wie üblich die Anwesenheit in der Runde feststellt. Ich kann es ihm nicht verdenken – es sind ganz schön viele einzeln aufzuführende Anwesende mit all den Verteidigern und Anwälten der Nebenkläger und er muss das zu Beginn eines jeden Prozesstags machen – also heute zum zweiundvierzigsten Mal.
Seine Befragung der Zeugin ist vorläufig abgeschlossen, deshalb ist jetzt die Staatsanwaltschaft dran.

Zuständigkeiten

Im Verlauf dieser Befragung glaube ich zunächst, mich verhört zu haben. Der Oberstaatsanwalt fragt die Zeugin, ob sie gewusst habe, dass die Genehmigung des Bauamts zur Nutzung des ehemaligen Güterbahnhofs sich nicht auf Tunnel und Rampe bezogen habe! Aber ich habe mich nicht verhört. Das Bauamt und somit ein Teil der Angeklagten –  so die Staatsanwaltschaft – ist genau dieser Auffassung. Und das hieße: es gab eine Kontroll-Lücke ausgerechnet an der Stelle, an der das tödliche Gedränge entstand. Denn wie die Zeugin mehrfach gesagt hat und auf Nachfrage noch mal bestätigt, begann für ihre Behörde, also das Ordnungsamt, das Veranstaltungsgelände mit der Vereinzelungsanlage vor dem Tunnel. Dementsprechend sei das Ordnungsamt ab hier auch nicht mehr zuständig gewesen. Das Bauamt fühlte sich aber augenscheinlich auch nicht zuständig.

Definitionen

Und offenbar haben die beiden Ämter nie sichergestellt, dass alle dasselbe Verständnis davon hatten, wo das Veranstaltungsgelände begann und wo es aufhörte, also wo die Zuständigkeiten der jeweils anderen Behörde lagen. Man habe mal in einer gemeinsamen Sitzung das Thema gestreift, erklärt die Zeugin, „da hieß es: Das Veranstaltungsgelände definiert der Veranstalter.“

Verfahrensfragen

Es folgen die Fragen der Nebenkläger und der Verteidigung, bevor nach zwei Tagen und vier Stunden die Befragung der Zeugin schließlich erst einmal beendet ist. Dann gibt es noch verschiedene Erklärungen der Verteidiger, die sich auf die Aussage dieser Zeugin sowie des ehemaligen Anwalts der Lopavent beziehen. Im Anschluss geht es darum, wie es weiter gehen soll im Strafprozess um das Unglück bei der Loveparade in Duisburg 2010 – also welche Zeugen wann und wie lange befragt werden sollen.

Danke!

Für mich ist das nicht mehr ganz so relevant, aber ich höre genau hin, als nach zwei Tagen und vier Stunden teils sehr anstrengendem Zuhören der Richter etwas sagt, das in meinen Ohren wie eine verheißungsvolle Versprechung für den weiteren Prozessverlauf klingt: Zukünftig werde man voraussichtlich nicht mehr so viel aus den Akten vorlesen müssen, wie bisher. Denn Vieles sei jetzt bereits offiziell bei Gericht eingeführt worden. Danke! Danke, Danke, Danke!

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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