Tag 51: Hinreichende Frustration

https://blog.wdr.de/loveparade-prozess/tag-51-hinreichende-frustration/

Tag 51: Hinreichende Frustration

Kommentare zum Artikel: 0

 

Der Gerichtssaal fühlt sich heute besonders angenehm klimatisiert an – aber das Verhandlungsklima ist hitzig.

Bei der Fortsetzung der Zeugenaussage des Duisburger Panik- und Verkehrsforschers Michael Schreckenberg geht es zu Beginn ums Geld. Die Staatsanwaltschaft will wissen, was der Wissenschaftler als Gegenleistung für sein Beraterhonorar von 20.000 Euro gemacht habe, in den Wochen vor der Loveparade 2010.

15 bis 20 Tage für 20.000 Euro?

“15 bis 20 Tage”, schätzt der Zeuge den Aufwand seiner “wissenschaftlichen Beratung”. Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff wundert sich und fragt mit leicht spöttischem Unterton: “Womit haben Sie denn die Zeit verbracht?” Schreckenberg erwidert, das sei nur eine grobe Schätzung, man möge ihn darauf nicht festlegen.

Bestimmte E-Mails zur Loveparade hat Schreckenberg gelöscht – angeblich um Speicherplatz auf seinem Dienst-PC zu sparen. Verteidiger zweifeln diese Erklärung an. Auch dass der Zeuge seine Beratertätigkeit für die Stadt Duisburg erst im Nachhinein bei seiner Universität anzeigte, sorgt für Nachfragen und Unverständnis.

Insgesamt dominieren am zweiten Tag der Vernehmung die Fragezeichen. Was für einen Wert hat die Aussage überhaupt? Wie kaum ein Zeuge vor ihm im Loveparade-Prozess hat Schreckenberg es “geschafft”, Gericht, Verteidigung, Anklage und Nebenklage gleichermaßen gegen sich aufzubringen – vor allem mit seiner Tendenz zu oftmals unpräzisen, fahrigen Einlassungen, vorgetragen in einem stellenweise nuschelnden Tonfall.

“Hinreichend frustriert”

Ein Nebenklage-Anwalt sagt, er sei “hinreichend frustriert”. Die Verteidigerin Kerstin Stirner erinnert den Zeugen mehrfach an seine Wahrheitspflicht und wirft Schreckenberg vor, sie für “dumm verkaufen” zu wollen. Ähnlich ungehalten äußert sich Verteidiger Christof Püschel (“für doof verkaufen”).

Letztlich bleibt Schreckenbergs Rolle im Dunkeln nach der quälend kleinteiligen Befragung. War er sowas wie der Chef-Berater der Loveparade-Planungen oder nur ein unverbindlicher Ratgeber am Rande? (Der damalige Dezernent, der Schreckenberg für 20.000 Euro als Berater der Stadt “einkaufte”, ist übrigens nächste Woche als Zeuge geladen.)

Der Zeuge verteidigt seine Rolle als wissenschaftlicher Berater. Er habe damals unter anderem vor dem Tunnel zum Partygelände gewarnt, räumt aber ein: “Ich hätte stärker warnen können.”

 

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

Top