Der Ton wird rauer. Am zweiten Tag der Aussage des ehemaligen Projektkoordinators und Ordnungsdezernenten der Stadt Duisburg nimmt die Befragung durch die Nebenklage einen großen Raum ein. Immer wieder soll Wolfgang Rabe erklären, wie, warum, weshalb und wieso er Professor Schreckenberg 20.000 Euro bezahlt hat. Rabe wirkt sichtlich genervt. Doch beinahe alle Fragen werden lang und breit von ihm beantwortet. Selbst, wenn die Inhalte seiner Ausführungen nichts mehr mit den Fragen zu tun haben. Seine Rhetorik faltet sich auf und zu wie ein Akkordeon.
“Ich bin ein Fossil”
Ein Beispiel: Auf die Frage, warum die Polizei auf den sichergestellten Computern der Stadt Duisburg und Rabes persönlichem Laptop, sowie den Servern keine E-Mails von ihm an andere städtische Mitarbeiter bezüglich der Loveparade-Planung sicherstellen konnte, antwortet er: Damals, als er vor 27 Jahren Beigeordneter geworden sei, habe es die ersten Schreibautomaten gegeben. Und man möge ihm verzeihen, dass er sich nicht um Fortbildungen bemüht habe, sondern immer die Dienste seiner Sekretärinnen in Anspruch genommen und Diktiergeräte genutzt habe. Selbst heute als Lehrbeauftragter, behauptet Rabe, schreibe er keine E-Mails. Das erledige seine Frau. “Ich bin ein Fossil.“ So Rabe wörtlich.
Seine Art und Weise wirkt unangemessen. Denn Rabe schweift vom Thema ab. Er formuliert Sätze, die wirken, als kämen sie aus einer anderen Zeit und gehörten nicht an diesen Ort. Ein weiteres Beispiel: “Ich weiß es nicht mehr.“, heißt bei Wolfgang Rabe: “Da will ich der Wahrheit die Ehre geben, es kann sein, dass ich in extenso erst am Folgetag davon erfahren habe.“
Gegen dieses stundenlange “Geschwafel“ -man vergebe mir bitte diesen Ausdruck- treibt mir die Einfachheit und Ehrlichkeit der Frage einer Nebenklägerin die Tränen in die Augen. Gabi Müller hat ihren Sohn Christian bei der Katastrophe verloren und fragt:
“Warum musste mein Kind sterben?“
“Warum mussten 21 Menschen sterben?“ führt sie fort und muss lernen, dass sie diese Frage vor Gericht so nicht formulieren darf. Denn Rabe ist nur Zeuge, sagt Richter Mario Plein. Er verweist auf das Gutachten des Sachverständigen, das bald vorliegen soll. Dieses soll klären, was zur Katastrophe geführt hat.
Ja, Rabe ist nur Zeuge. Aber er ist auch Jurist und wird zum Prozess von zwei weiteren Anwälten begleitet. Darüber hinaus ist er über zwei Jahrzehnte leitender Mitarbeiter der Stadt gewesen. Nichts, was er sagt, rutsch ihm zufällig heraus. Selbst wenn der 64-jährige nach meinem Empfinden gern das Bild vom Anekdoten erzählenden älteren Herrn abgeben möchte, der sich selbst süffisant als “Fossil“ bezeichnet.
Nimmt man die literarisch anmutenden Worte weg, bleiben folgende Kernaussagen des Zeugen zurück:
Der Zeuge räumt ein, dass die Veranstaltung über politischen Druck vorangetrieben wurde. Er selbst hatte die Aufgabe die Planungen voranzutreiben und Bedenken auszuräumen. Er habe sich auf die “Bitte” von Lopavent hin in Bereiche eingemischt, die das Genehmigungsverfahren der Bauordnung betrafen.
Morgen wird die Befragung durch die Verteidiger fortgesetzt. Diese werden erfahrungsgemäß weniger Geduld mit den ausschweifenden Ausführungen des Zeugen haben.