Der heutige Zeuge ist ein Ausnahmephänomen. Im Unterschied zu vielen eher wortkargen Auftritten anderer Zeugen im Gerichtssaal redet er ausführlich und erinnert sich an viele Details rund um die Katastrophe. Der 44-jährige selbstständige Veranstaltungstechniker, Verleger und Autor hält zu Beginn seiner Aussage einen fast einstündigen Vortrag zu seinen Erlebnissen vor, bei und nach der Loveparade 2010 in Duisburg.
Als externer Berater war er für die technische Kontrolle der Techno-Floats zuständig. Schon seit Berliner Zeiten war der Mann bei der Loveparade dabei – ein echter Insider.
Bekannt seit Kindestagen
Er berichtet, dass er durch die Loveparade in Duisburg eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe. Es sei nicht das erste Trauma in seinem Leben gewesen. Als Kind habe er Terpentin getrunken und als Erwachsener bei einem Arbeitsunfall Gliedmaßen verloren, erzählt er freimütig über sich. Der Zeuge spricht stellenweise so rasant schnell, dass er vom Richter gebeten wird, es doch etwas langsamer anzugehen.
Manchmal enthalten seine Ausführungen auch zu viele Informationen: Der Zeuge kennt einen der Angeklagten zum Beispiel schon seit Kindestagen – wer damals mit seinem Bruder in einem Zimmer schlafen musste oder ob es getrennte Kinderzimmer gab, tut wohl eher nichts zur Sache in der Causa Loveparade. Dennoch erzählt er davon, unter anderem um sein eher distanziertes Verhältnis zum heutigen Angeklagten zu erklären.
Vom Fehlen “staatlicher Obrigkeit”
Gleichwohl gibt der Familienvater interessante Einblicke in das Innenleben der Loveparade-Veranstaltercrew. So berichtet er, dass es “nicht gewünscht” gewesen und “nicht produktiv gefördert” worden sei, wenn man über seinen Aufgabenbereich hinaus Vorschläge gemacht habe. Darum habe er sich nur um die Floats gekümmert. Seine Meinung etwa zum Tunnel und zum Zugang zum Partygelände sei bei der Produktionsleitung ja nicht gewünscht gewesen. Er beschreibt sich “eher als Querulant” bei der Arbeit. Seine Aufgabe, die technische Abnahme der Floats, sei nicht geeignet gewesen, “Best Buddy” mit jedermann zu sein.
Der Zeuge beschreibt einen wichtigen Unterschied zu den Loveparade-Events in Essen und Dortmund 2007 und 2008. In Duisburg 2010 habe das städtische Ordnungsamt die Veranstaltung weniger eng begleitet als in den beiden anderen Ruhrgebietsstädten: “Es fehlte eine gewisse staatliche Obrigkeit.” Das habe er in Duisburg “vermisst”.
Der Strafprozess gegen die verbliebenen drei Angeklagten geht nach einer kurzen Sommerpause am 30. Juli weiter.