Mit kurzer Unterbrechung für eine Kaffee-Pause schaut der ganze Gerichtssaal erst mal zwei Stunden lang auf die Leinwand. Wir sehen Videomaterial, aufgenommen aus dem Führerhaus eines der Musik-Trucks. Zu sehen sind viele, tänzerisch allenfalls mittelmäßig begabte, Jungs mit nacktem Oberkörper, die Kamera-Einstellung wechselt selten, wenn sind die Bilder wackelig und dazu wummern Technobeats mit Ansagen wie: “Alle Hände nach oben” (in deutscher und englischer Version) oder “Duisburg, mach mal Lärm!”.
Durchsagen? Wann?
Wir sehen uns das an, um uns auf die Aussage des nächsten Zeugen vorzubereiten. Der hatte – zusammengefasst – bei seinen Vernehmungen durch die Polizei vor rund acht Jahren gesagt, er habe bei der Loveparade 2010 von den Trucks aus an der Rampe frühzeitig Durchsagen gemacht. Die Leute seien dazu aufgefordert worden, von der Rampe weg auf das Gelände zu gehen und Platz für die Nachrückenden zu machen. Zumindest aus unserer Video-Perspektive gab es zwar ein paar solche Durchsagen, wenn auch nicht vom Zeugen, sie waren aber erstens inhaltlich eher vage und erfolgten zweitens viel zu spät. Die 21 Menschen waren da bereits tot oder tödlich verletzt. Auch ein Funkprotokoll eines der Angeklagten vom Veranstaltungstag widerspricht der Zeugenaussage, die Durchsagen seien frühzeitig erfolgt.
Widersprüche und Wissenslücken
Widersprüche gibt es bei diesem Zeugen viele und er tritt ziemlich forsch auf: Trotz Hinweis durch den Richter, dass Mutmaßungen nicht erwünscht und Schlussfolgerungen kenntlich zu machen seien, hören wir viele Mutmaßungen und viele Schlussfolgerungen. Richter Plein muss jedes Mal konkret nachfragen. Dann räumt der heute 38-Jährige ein, dass er dazu nichts sagen, also sich nicht erinnern könne. Er fällt dem Richter immer wieder ins Wort und er hat es nicht für nötig befunden, sich weiter auf seine Aussage heute vorzubereiten. Das – so wird er belehrt – wäre aber seine Pflicht gewesen. Morgen stellen Nebenklage und Verteidigung ihre Fragen.