Tag 145: “Ich glaube dem Zeugen nicht”

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Tag 145: “Ich glaube dem Zeugen nicht”

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Der Tag beginnt erst einmal unspektakulär. Nach Gericht und Staatsanwaltschaft gestern stellt heute die Nebenklage einige Fragen, die der Zeuge in der Regel mit “kann ich heute nicht mehr sagen” beantwortet. Es tun sich ein paar weitere Widersprüchlichkeiten auf, die die Juristen und die Zuschauer resigniert mit den Augen rollen lassen, aber damit hatten wohl alle gerechnet – nach dem Tag gestern.

Umfassende Amnesie

Der Zeuge scheint (Ironiemodus ein) Opfer eines massiven Gedächtnisverlusts zu sein (Ironiemodus aus). So massiv, dass er sich nicht mal mehr erinnern kann, dass er bei seiner zweiten Vernehmung durch die Polizei im August 2011 von einem Anwalt begleitet wurde. Wer den beauftragt und bezahlt habe, will ein Nebenklage-Anwalt wissen. Er könne sich nicht daran erinnern, überhaupt mit einem Anwalt zu tun gehabt zu haben, erwidert der Zeuge. Nach einigem hin und her wendet sich der Anwalt empört an Richter Plein: “Ich glaube dem Zeugen das nicht.” Und ein Verteidiger resigniert etwas später: “Ein Zeuge, der es uns schwer macht, in der Aufklärung weiter zu kommen.”

“Weil ich danach nicht gefragt wurde”

Der Verhandlungstag scheint nach einer Dreiviertelstunde schon zu einem schnellen Ende gekommen, als eine Nebenklage-Anwältin noch eine Frage an den Zeugen hat. Er, Musiker und DJ, habe doch angegeben, dass er zu niemandem aus der Crew der Loveparade 2010 danach mehr Kontakt gehabt habe? Ja, das stimme. Ob er bei Eröffnungen von John Reed-Fitness-Clubs (einer Fitnesskette, die zur Schaller-Holding RSG gehört und bei der Rainer Schaller als Geschäftsführer firmiert) Platten auflege? “Ja”. Auch heute Abend in Mannheim? “Ja.” Warum er das nicht gesagt habe? Er sei danach nicht gefragt worden, sagt der Zeuge.

“Wer hier lügt, wird bestraft”

Selbst der sehr geduldige Richter erklärt, dass Rainer Schaller ja schon irgendwie etwas mit der Loveparade 2010 zu tun gehabt habe, insofern sei diese Information relevant und er hätte das erwähnen müssen. Kurz danach ist der Zeuge zwar entlassen, aber wir auf der Pressebank fragen uns, ob das Gericht gegen den Mann weitere Schritte einleitet. Denn, wie Richter Plein auch bei diesem Zeugen zu Beginn seiner Befragung ausführlich und unmissverständlich erläutert hat: Ein Zeuge hat in vollem Umfang auszusagen, nichts hinzuzufügen oder wegzulassen. “Das klingt kompliziert, ist aber im Prinzip ganz einfach: Wer hier lügt, wird bestraft – und das in der Regel sofort mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.”

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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