Tag zwei im Zeugenstand für die Leiterin des Bauamts und ehemalige Angeklagte. Wie schon gestern geht es im Wesentlichen darum, wer welche Zuständigkeiten bei der Stadt hatte, beziehungsweise wer sich in der Planung wofür zuständig gefühlt hat.
Gefühle. Mein Gefühl bei der Befragung ist ähnlich meinem Gefühl an Prozesstag 79: Offensichtlich hat sich im Vorfeld niemand dafür zuständig gefühlt, außerhalb des selbst definierten eigenen Beritts mal zu gucken, ob denn bei der Planung an alle sicherheitsrelevanten Bereiche – auch Tunnel und Rampe – gedacht wurde.
Sind Sie eingeknickt?
Auch nicht die Mitarbeiter des Bauamts, für die nach Aussage der Zeugin nie in Betracht kam, dass sie für den Tunnel zuständig sein könnten. Allerdings forderten sie an anderer Stelle vom Veranstalter so viele und genaue Nachweise, Gutachten und Konzepte, dass sie von den übrigen Beteiligten, auch in Teilen der Stadtverwaltung, als besonders renitent und kleinkariert galten. Zumindest lässt sich das aus den vielen, vielen Schriftwechseln und Protokollen, die im Verlauf dieses Prozesses eingeführt wurden, herauslesen. Warum sie dann am 23. Juli 2010 plötzlich die Genehmigung erteilten, obwohl zu diesem Zeitpunkt immer noch Nachweise fehlten – das ist eine große Frage, die wir Prozessbeobachter uns immer wieder gestellt haben. Und auch Richter Plein will von der Zeugin wissen: “Sind Sie eingeknickt?”
Schritt in die richtige Richtung
Die Zeugin verneint das. Es sei vielmehr so gewesen, dass nach monatelangem Gerangel endlich die Lopavent-Leute eingelenkt hätten und das geforderte Brandschutzkonzept mit entsprechenden Planungen zu Fluchtwegen vorlegen wollten. “Das war ein Schritt in die richtige Richtung”, sagt die 51-jährige. “Ich hatte am 23. abends das Gefühl, dass wir alles getan haben, was getan werden muss, um eine rechtlich gültige Baugenehmigung zu erteilen. Wir sind nicht aufgrund irgendeines politischen Drucks eingeknickt.”
Job ordnungsgemäß gemacht
Auch in der Nachbetrachtung des Unglücks war man bei der Stadt Duisburg augenscheinlich der Ansicht, alles getan zu haben, was getan werden musste. Das wird in einem Vermerk deutlich, den die Zeugin nach einer Konferenz der Verwaltungsvorstände im August 2010 angefertigt hat. Sie bekommt ihn heute noch einmal vorgehalten und darin heißt es, in der Runde sei die Frage aufgekommen, ob man nun überhaupt noch Großveranstaltungen durchführen könne. Man dürfe nicht in Schockstarre verfallen, war die Antwort darauf. “Schließlich habe jeder seinen Job bisher auch ordnungsgemäß gemacht.”
Fehlersuche Fehlanzeige
Vielleicht stimmt das. Aber eine Lehre hätten die Spitzen der Duisburger Stadtverwaltung auch als es noch frisch war – drei Wochen nach dem Unglück – aus den 21 Toten und hunderten Verletzten ziehen können: Wenn niemand etwas falsch gemacht hat, dann gibt es einen Fehler im System. Und den sollte man – finde ich – tunlichst und schnell finden.
Das stand damals aber wohl nicht zur Debatte.