Keine Polizeiautos mehr vor dem Gebäude, im Pressebereich sitzt neben mir nur ein Kollege. Der Tag nach dem Sauerland-Auftritt beginnt ruhig, wird aber schnell an Fahrt gewinnen. Geladen ist heute zunächst eine Zeugin aus Oberhausen. Man will anhand ihrer Aussagen kontrollieren, ob ihre – offenbar psychisch labile – Schwester bei ihrer Aussage vor einigen Wochen die Wahrheit gesagt hat. Die Verteidiger haben daran große Zweifel.
Die heute 26-jährige Zeitsoldatin dementiert etwa die Aussage ihrer Schwester, dass sie in der Massenpanik der Loveparade gestürzt sei. Ortsangaben fallen ihr schwer, sie verstrickt sich in Widersprüche. „Ich habe mich nicht mehr damit befasst“, sagt die Zeugin, „ich wollte eigentlich da rausgehalten werden.“
„Rausgehalten werden“ – das macht die Verteidiger skeptisch. Ob die Zeugin von Dingen wisse, von denen sie sich distanzieren wolle? Ob ihr das Erlebte egal sei? Es wird immer offensichtlicher: Die Verteidiger vermuten, dass etwas faul ist, an den Aussagen des Geschwisterpaars.
Mutter muss den Saal verlassen
Was später noch wichtig wird: Die Mutter der Zeugin sitzt auf einem der hinteren Stühle im fast leeren Zuschauerbereich. Sie komme angesichts der Gedächtnislücken ihrer Töchter als Zeugin in Betracht, merkt ein Verteidiger an. Der Richter fordert sie auf, den Saal zu verlassen.
Fotos habe sie damals nicht gemacht, sagt die Zeugin. Aber sie erinnert sich – oben bei den Dixies angekommen – keine Floats gesehen zu haben. Ein Verteidiger: „Das ist schlechterdings nicht vorstellbar. Es sei denn sie waren nicht dort.“
Plötzlich Zeugin
Dann wird die Mutter aufgerufen. Plötzlich ist sie Zeugin. Sie habe nicht darauf geachtet, ob ihre Töchter verletzt oder beschmutzt waren, als sie abends von der Loveparade kamen. „Hatten sie noch Schuhe an?“, fragt der Richter. Die Mutter weiß es nicht. Auch nicht, wie die Töchter nach Hause gekommen sind: „Ich weiß es nicht“. Es sei schon so lange her. Nur dass sie „mit der Welt fertig“ gewesen seien, daran kann sie sich erinnern. Ein Verteidiger äußert den Verdacht, „dass ein tragisches Ereignis missbraucht wird, warum auch immer.“
Weitere Freundin im Zeugenstand
Nach der Mittagspause sitzt eine Freundin der 26-Jährigen im Zeugenstand. „Wir waren vor Ort, aber das ist jetzt so viele Jahre her. Ich weiß nicht, was ich noch erzählen soll“, sind ihre ersten Worte. Auch hier: Fragen über Fragen vom Richter. Irgendwann sagt sie, man sei zu viert zu den Floats gelaufen. Sie selber habe sogar ein wenig getanzt.
Was tun mit diesen Aussagen? Anwälte und Gericht haben nun ein paar Tage Zeit, sich Gedanken zu machen.