Waren Sie schon mal in Brandenburg? Ich nicht. Bis vor ein paar Jahren gehörte ich sogar zu jenen 17 Prozent der Westdeutschen, die noch nie ein ostdeutsches Bundesland live gesehen haben. Spötter mögen einwenden: Man muss gar nicht selbst nach Brandenburg fahren, denn während des Landtagswahlkampfs kam bereits gefühlt jedes verlassene Örtchen in einem der vielen Medienberichte über das “Abgehängtsein” in “Lostdeutschland” vor.
Gerade als gebürtiger NRWler ist meine Ignoranz etwas peinlich, denn Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sind Partnerländer – ganz offiziell per Staatsvertrag vereinbart. Die Ministerpräsidenten Johannes Rau und Manfred Stolpe starteten nach der Wiedervereinigung die Allianz der beiden Länder. Eine SPD-Freundschaft – übertragen auf zwei Bundesländer.
Während die Brandenburg-SPD mit Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag erneut (wie immer seit 1990) stärkste Kraft wurde, hat die NRW-SPD ihre einst so sicher geglaubte Macht schon lange verloren. Den SPD-Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen blieb nur, Woidke zu gratulieren. Ganz am Rande: Vor gut zehn Jahren ließ unter anderem der große Block der NRW-Genossen Woidke mal auf einem Bundesparteitag durchrasseln – erst im zweiten Wahlgang wurde er gewählt. Heute haben sich die Rollen vertauscht: Mittlerweile werden Betrachtungen angestellt, was die NRW-SPD von der Brandenburg-SPD lernen kann.
Vor gut 30 Jahren war das ganz anders. Das sozialdemokratische NRW schickte “Aufbauhelfer” nach Brandenburg. Mit sechs Millionen D-Mark im Landeshaushalt finanzierte Düsseldorf allein in 1991 etwa 750 bis 1.000 NRW-Beamte und Berater, die in Potsdam eine Verwaltung nach BRD-Vorbild aufbauen sollten. Heute wird diese Dominanz des Westens nicht nur im Osten kritisch gesehen. Schon damals gab es Stimmen, die den Vergleich zu “Kolonialherren” zogen.
Rau und Stolpe besuchten sich oft. “In fast jedem richtigen Brandenburger fließt Westfalenblut”, sagte Stolpe 1996 anlässlich einer Ausstellung zur brandenburgischen Frühgeschichte in Münster. “Westfalenblut” – heutzutage würde man das wohl nicht mehr so ausdrücken. Aber es war bestimmt nett gemeint.
Die Freundschaft bewährte sich. Ähnlich wie bei Rau und Stolpe galt die Zusammenarbeit zwischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihrem Amtskollegen Matthias Platzeck (beide SPD) als eng. 2020 bekräftigten Woidke und der damalige NRW-MP Armin Laschet (CDU) den Fortbestand der Allianz. Eine gemeinsame Baustelle: die Gestaltung des Kohleausstiegs.
Und heute? Um die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Ja, “wir” sind noch Freunde! “Die Partnerschaft der beiden Länder gilt fort und mit ihr die guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern”, teilte mir ein Sprecher der Staatskanzlei in Düsseldorf mit. Dennoch konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sich mehr für andere Bundesländer und ihre Regierungen interessiert – siehe etwa gemeinsame Kabinettssitzungen mit Sachsen und Schleswig-Holstein. “Nordrhein-Westfalen pflegt zu allen Ländern gute und enge Verbindungen”, sagte der Sprecher. Es sieht so aus, dass Brandenburg fast 35 Jahre nach dem Fall der Mauer für Schwarz-Grün in NRW nur noch ein Bundesland unter vielen ist.
Ein Kommentar
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Von der Brandenburg-SPD kann man nichts lernen!
So wie im WDR-Presseclub sehe auch ich das Manöver von Woidke sehr kritisch und es würde woanders auch nie funktionieren. Würde Wüst mit Rücktritt drohen falls die CDU nicht stärkste Fraktion in NRW wird kommt da höchstens ein gelangweiltes „na und?“; wäre bei manchen sogar Wahlhilfe für die AfD. Kutschaty von der SPD ist schon weg, wenig rühmlich. Wer heute Vorsitz hat bei der NRW-SPD hat musste ich erst mal bei Wikipedia nachsehen.
Außerdem dürfen wir in einer repräsentativen Demokratie nur Parteien wählen die Inhalte im Wahlprogramm versprechen; Köpfe an der Parteispitze sind austauschbar.
In Brandenburg war ich noch nicht, in Bayern aber auch nicht.
Brandenburg und Bayern sind auch für mich nur Bundesländer unter vielen.