Welcher NRW-Politiker kriegt ein Meister-Selfie?

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Welcher NRW-Politiker kriegt ein Meister-Selfie?

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Bayer Leverkusen ist deutscher Fußballmeister. Da kann so mancher Politiker aus NRW nicht mehr an sich halten, denn Social Media verlangt ja ganz dringend nach Pics mit Xabi Alonso. Was soll das? Eine Polemik.

Am Samstag bekommt Bayer Leverkusen im eigenen Stadion die Meisterschale überreicht. Allein dieser Satz hätte vor der Saison wohl eher Gelächter unter Fußballfans ausgelöst. Es ist die erste Meisterschaft in der Geschichte der Werkself.

Aber Vorsicht: Unter die feiernden Fußballer könnten sich am Samstag wieder Politiker mischen, die vor Mannschaftskabinen und in Stadionkatakomben lauern.

Selfies mit Xabi Alonso

Nachdem die Meisterschaft von Bayer 04 feststand, machte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur den Anfang. Sie inszenierte sich noch am Abend des Triumphs neben Meistertrainer Xabi Alonso auf X (ehemals Twitter) und Instagram.

Nun ist vom spanischen Ex-Weltklassespieler bekannt, dass er auch 2. Liga schaut. Aber ob er den Namen Neubaur vorher schon mal gehört hatte? Eher unwahrscheinlich. Er dürfte ihn auch Sekunden später wieder vergessen haben. Die Grünen-Politikerin bezeichnet sich eigentlich als Anhängerin von Fortuna Düsseldorf, was nicht so richtig zu einem “Meisterkusen”-Fangirl-Posting passt. Den BVB feuerte Neubaur übrigens auch schon an – vielleicht sieht man sie ja bald in Wembley.

Es gibt auch Politiker, die tatsächlich Leverkusen-Fans sind: Innenminister Herbert Reul (CDU) zum Beispiel, der nach dem Titelgewinn mit einem Bayer-04-Fähnchen auf Facebook posierte – allerdings ohne Xabi Alonso.

Bundesgesundheitsminister und Selfie-König Karl Lauterbach von der SPD ging es anders an. Er bat den  Bayer-Trainer am Rande des Auswärtsspiels in Dortmund um ein Foto. Das Lächeln des Meisters wirkte dabei etwas gequält. Lauterbach mag als Argument für sein Xabi-Selfie ja anführen, dass er Leverkusen im Bundestag vertritt – allerdings auch einen Teil von Köln. Aktiv spielt Lauterbach übrigens Tischtennis.

Vorbild Merkel?

Wo kommt das eigentlich her, dass Regierende so krampfhaft die Nähe von erfolgreichen Fußballern suchen? Spätestens seit Angela Merkels Tribünen-Jubelfotos bei der “Sommermärchen”-WM 2006 und ihren späteren Kabinenfotos mit dem DFB-Team gehört die öffentliche Performance einer Nähe zum Fußball irgendwie zum Regierungshandeln dazu – quasi wie Dienstwagen und Weihnachtsansprache.

Wann hat das angefangen? In NRW konnte man sich in den 1980ern einen “Landesvater” Johannes Rau (SPD) eher beim gemütlichen Skat als im (damals noch arg prolligen) Stadion vorstellen. Sein Nachfolger als Ministerpräsident Wolfgang Clement (damals SPD) war da schon anders. 2002 marschierte der gebürtige Bochumer nach dem Bundesliga-Aufstieg seines VfL auf dem Aachener Tivoli samt Regierungssprecher in die Kabine ein und trank ein paar Fiege-Pils auf ex.

Peer Steinbrück war mal BVB-Aufsichtsrat. Hannelore Kraft ist mittlerweile sogar Vize-Präsidentin bei Borussia Mönchengladbach. Armin Laschet (CDU) litt mit seinem Heimatclub Alemannia Aachen, feierte aber auch schon mal in Paderborn, wenn es einen Erstliga-Aufstieg zu bejubeln gab – ähnlich flexibel wie später Neubaur also.

Handballer posiert mit Haaland

Der aktuelle Amtsinhaber Hendrik Wüst spielte in seiner Jugend Handball. Der “Volkssport” Nummer eins, Fußball, ist für ihn als inoffiziellen Social-Media-Landesmeister dennoch interessant. 2022 tauchte er nach einem Ukraine-Benefizspiel in der Dortmunder Kabine auf. Der Wüst-Biografie von Tobias Blasius und Moritz Küpper ist zu entnehmen, dass sich der CDU-Politiker “auf der Suche nach Reichweite” kurz vor der Landtagswahl “wie ein Schüler neben Top-Stürmer Erling Haaland zum Selfie” aufstellte. “Die heimliche Hoffnung der Staatskanzlei, dass der Superstar das Foto hinterher mit seiner riesigen Anhängerschaft teilen könnte, erfüllte sich nicht”, heißt es in dem Buch.

Mal schauen, ob am Wochenende einem Politiker ein Selfie mit Meisterschale gelingt.

Wie schrieb doch der berühmte Kölner Literat Harald “Toni” Schumacher 1987 in seinem Erstlingswerk “Anpfiff” zum Kabinenbesuch von Kanzler Helmut Kohl (CDU) nach dem verlorenen WM-Finale der DFB-Elf 1986, als Kohl den enttäuschten Franz Beckenbauer zu einem Foto genötigt haben soll: “Darf man den Fußball umfunktionieren, um ‘nationalen Konsens’ zu demonstrieren? Gekünstelt, das Ganze. Sport und Politik Hand in Hand. Naivität neben Kalkül.”

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dieser Text erscheint auch als Editorial in unserem landespolitischen Newsletter “Politik für 18 Millionen”. Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen – an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren.

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

2 Kommentare

  1. Kreisliga Verteidiger am

    Nichts gegen Politiker die auch abseits von der Politik im Wahlkreis etwas machen. Aber das sieht wirklich sehr schnell, sehr gekünstelt aus. Es ist auch billig zu glauben, dass Ruhm und Ehre des einen auf den anderen abfärben könnte, wo wer auch immer Ruhm und Ehre vermuten mag.

  2. Es ist verständlich, dass Politiker wie Mona Neubaur und Karl Lauterbach diesen historischen Moment feiern wollen. Ihre Selfies mit Xabi Alonso zeigen, dass sie echte Fans sind, auch wenn Neubaur eigentlich Fortuna Düsseldorf unterstützt.

    Dass Innenminister Herbert Reul als echter Leverkusen-Fan stolz mit einem Bayer-04-Fähnchen posiert, finde ich besonders sympathisch.

    Auch die Tradition, dass Politiker wie Angela Merkel und nun Hendrik Wüst die Nähe zum Fußball suchen, hat etwas Verbindendes.

    Es zeigt, dass auch Politiker menschlich sind und die Freude über sportliche Erfolge teilen.

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