Umfragen in der Politik: alle wegschmeißen?

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Umfragen in der Politik: alle wegschmeißen?

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“Ach Umfragen”, soll SPD-Grande Franz Müntefering mal gesagt haben. “Schmeiß sie alle weg, nächste Woche kommen neue.” Das ist typisch für das seltsame Verhältnis, das Politiker zu Umfragen haben. Angeblich liest man sie nicht, weil es angeblich in Wahrheit nur auf Wahlergebnisse ankommt. Um sich dann doch, wenn niemand zuschaut, in ausführlicher Interpretation zu verlieren.

Sei’s drum.

Für alle anderen, die auch gern wissen möchten, wie die politische Stimmung im Land ist und was uns die Zahlen sagen, hier ein paar Gedanken zum jüngsten NRW-Trend. Vorweg: Zufrieden sein kann demnach die CDU. Sie legt zu, in ihrem langen Schatten können die demoskopischen Früchte der übrigen Parteien kaum sprießen.

Vor allem, das zeigt der Trend, ist der Abstand zum Rest deutlich. Für die SPD, immerhin mal wieder vor den Grünen, ist die Lage ernüchternd. Die einstige Langzeit-Regierungspartei hatte zwar schon einmal schlechtere Werte, aber ist sie weit weg von der Macht. Eine Opposition, die sich als Regierung im Wartestand begreift, kann damit nicht zufrieden sein.

Mitgehangen, mitgefangen. Für die Parteien der Berliner Ampel läuft es ansonsten erwartungsgemäß: Sie verharren auf bisherigem Niveau, was für die FDP am wenigsten gemütlich ist. Die Grünen stehen bei einem satt zweistelligen Ergebnis, aber wirklich Honig können sie aus der Arbeit in der schwarz-grünen Landesregierung nicht saugen.

Wiederholt sich Geschichte in NRW? Die FDP musste zwischen 2017 und 2022 die Erfahrung machen, dass Regierungsarbeit in einer Koalition mit bitterer Enttäuschung enden kann. Profitiert hat die Partei des Ministerpräsidenten, nicht der kleinere Partner. Erzielte die FDP 2017 satte 12,6 Prozent, musste sie sich fünf Regierungsjahre später mit 5,9 Prozent bescheiden.

Den Grünen ging das in der Koalition mit der SPD unter Hannelore Kraft (SPD) übrigens nicht anders: 2010 holten sie 12,1 Prozent, bei der vorgezogenen Neuwahl 2012 waren es noch 11,3 Prozent, am Ende standen sie 2017 mit 6,4 Prozent und leeren Händen da. Da konnte es nur ein schwacher Trost sein, dass auch die SPD verlor – Wählerstimmen und die Staatskanzlei.

Kann den Grünen das nun mit Hendrik Wüst wieder passieren?

Aus ihrer Sicht gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Bis zur nächsten Landtagswahl sind es noch drei Jahre. Da kann viel passieren, sogar die Last der Ampel-Beteiligung könnte sich in Wohlgefallen auflösen. Die schlechte Nachricht: Bis zur nächsten Landtagswahl sind es noch drei Jahre. Drei Jahre, die Wüst nutzen kann, vollends in die Rolle des Landesvaters zu schlüpfen, der alles überstrahlt. Die Inszenierung beherrscht er schon jetzt, Politik ist eben auch Schönheitswettbewerb. Routine und Trittsicherheit auf öffentlicher Bühne nehmen zu, dem politischen Nahkampf geht er aus dem Weg. Fehlervermeidung ist ohnehin sein zweiter Vorname.

Für die Grünen ist es unter solchen Umständen nicht einfach. Koalitionsfriede kann auch ein anderes Wort für Unsichtbarkeit sein.

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Über den Autor

Jochen Trum ist Leiter der landespolitischen Redaktion des WDR.

2 Kommentare

  1. André Schäfer am

    Umfragen gehen mir schon lange mehrspurig am Allerwertesten vorbei. Und die gesamte Partei- und Politik-Berichterstattung der Medien eigentlich genauso. Das fängt mit dem Dummfug an, dass ein einzelner Bewerber, ohne einen Gegner, zum Parteivorsitzenden “gewählt” wurde, wohingegen direkt reißerisch von einer Kampfkandidatur gesprochen wird, wenn tatsächlich mal zwei Leute um den gleichen Posten kandidieren. Und das endet mit so einem Geschwafel wie diesem hier, bei dem die arme, kleine FDP am Ende der Regierungsbeteiligung als Koalitionspartner ein mieses Ergebnis bekam. Auf die Idee, der Grund hierfür können vielleicht darin liegen, dass der Wähler mit der FDP-Arbeit unzufrieden war, kommt hier erst gar keiner.

    Und was aktuell die Grünen angeht, ja, denen wird das genauso gehen. Die werden bei der nächsten Wahl auch dumm aus der Wäsche gucken. Aber nicht, weil Wüst sich als Macher schillernd inszeniert, sondern weil sie selbst dafür sorgen, dass man ihnen nicht mehr über den Weg trauen kann. Man kann nicht als Regierungsbeteiligte Partei auf der Landesebene den Bau von etwa Windrädern an allen Ecken und Enden des Landes fordern, um dann auf kommunaler Ebene an eben all diesen Ecken und Enden des Landes, den Bau von eben diesen, dringend erforderlichen Windkraftanlagen zu verhindern versuchen, weil irgendwann da mal in der Nähe eine seltene Ameise gesichtet wurde. Dafür werden die eine Ohrfeige kriegen. Und auch noch für diverse, ähnliche Aktionen, die darauf basieren, dass sie kommunal völlig anders ticken als auf Bundes- oder Landesebene. Und das auch völlig zurecht.

    Die Grünen im Landtag müssen nicht von Wüst klein gehalten werden, um bei der nächsten Wahl mies abzuschneiden. Die demontieren sich ganz allein.

  2. Es kommt nicht „angeblich“ sondern tatsächlich auf die Wahlergebnisse an, in dem Punkt hatte Münte recht. Die Umfragen sehe ich auch kritisch, ich werde oft gefragt weil ich im Telefonbuch stehe aber komme in keiner Umfrage vor, weil ich sofort wieder auflege. Es sind also nur Teilnehmer dabei die sich am Telefon nerven lassen und bedenkenlos am Telefon Auskünfte geben.

    Aber Münte und Schröder waren so stark in der eigenen Blase eingemauert, dass sie den Kontakt zur Stammwählerschaft komplett verloren hatten; die SPD brach ein. Irgendwie braucht man Feedback und so ganz daneben liegen Umfragen meist nicht.

    Ein Niedriglohnsektor ist nicht vereinbar mit Sozialdemokratie oder einer Sozialen Marktwirtschaft. Wird aber Zoll als Handelshemmnis in der Globalisierung geschleift und in der EU ohne Zoll kommen Billiglohnländer dazu, müssen wir entweder ärmer werden oder raus aus Globalisierung und EU. Die Zwickmühle besteht bis heute. Erhöhung Mindestlohn treibt die Arbeitskosten wieder hoch, dazu kommen jetzt auch noch hohe Energie- und Öko-Kosten. Die Wirtschaft wandert einfach ab, direkt hinter der Ostgrenze ist Produktion erheblich billiger.

    Grüne Themen nützen den Grünen mit ihrer wohlhabenden Wählerschaft. Die CDU will den Klotz am Bein loswerden, aber ohne Lärm wie in Hessen. Nur SPD setzt weiter auf Rot-Grün obwohl sich die traditionelle Zielgruppe der Sozialdemokratie sich das am wenigsten leisten kann.

    Die SPD in NRW kann beruhigt alle Umfragen wegschmeißen!

    Vorher gibt es echte Wahlergebnisse bei der EU-Wahl im Juni, Kommunalwahl 2025 und Bundestagswahl 2025. Wir müssen nicht spekulieren wie gut Umfragen sind.

    Die Bundes-CDU macht alles anders als Merkel – ohne Kritik an Merkel. Bei der SPD hört man nur „weiter so“ und „alles wird gut“. „Abschieben im großen Stil“ von Scholz glauben weder Freund noch Feind der SPD. Irgendwas wird man sich einfallen lassen müssen aber ich sehe nicht wie die SPD da wieder raus kommt.

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