Noch gut drei Wochen. Dann wissen wir, wie es politisch in Deutschland weitergeht. Endlich. Hoffentlich. Derweil müssen wir die Ungewissheit überspielen mit Prognostik oder Spekulation, mit Analyse oder Voodoo. Oder auch mit inhaltlichen Diskussionen darüber, was die Herausforderungen fürs Land sind, wer die besten Rezepte hat, wer sich am besten verkauft, wer die schönsten Fotos hat und die coolsten Sätze sagen kann. Oder wir lassen einfach unversöhnliche Meinungen aufeinanderprallen, erfreuen uns am Funkenflug und sind ansonsten mit unserem unverrückbaren Standpunktdenken zufrieden.
So ungefähr geht eben Wahlkampf. Nicht erst seit diesem Jahr, aber besonders durch dieses Jahr, fällt auf, wie sehr die Bundestagswahl, die ja eigentlich eine Parlamentswahl ist, zur Kür des Regierungschefs geworden ist. Würde ein Außerirdischer inmitten der heißen Wahlkampfphase unter uns landen, er würde von einer anstehenden Direktwahl des Kanzlers oder der Kanzlerin ausgehen. Wie sollte man es ihm verübeln? So sehr sind dieser Wahlkampf und die ihn begleitende Musik auf den Kampf ums Kanzleramt zugeschnitten. Es gibt nicht bloß Schattenkabinette, es gibt offenbar leider auch ein Schattenparlament.
Die Vertretung des Volkes
Dabei geht es um den Bundestag. Um das Parlament der Deutschen, die Volksvertretung, den Souverän. Aus guten Gründen haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dem Bundestag eine zentrale Rolle in der demokratischen Grundordnung zugewiesen. Alle demokratische Legitimation liegt durch die Wahl bei ihm, einmal alle vier Jahre. In einem Land, in dem es kaum nennenswerte Elemente direkter Demokratie gibt, ist das entscheidend!
Es geht um 299 Direktmandate, verteilt über die ganze Republik. Und um eine vorher nicht genau zu bestimmende Zahl an Mandaten, die durch die Listen dem Stimmenverhältnis der Parteien gemäß vergeben werden, kurz: um die personalisierte Verhältniswahl. Es geht um die Auswahl unserer Volksvertreter, um Machtübertragung und Legitimierung. Es geht um die Konstituierung der Repräsentativorgans, das – wenn es gut läuft – am Ende ein Spiegelbild der Gesellschaft und ihrer politischen Ausdrucksformen ist.
Ohne Bundestag keine Regierung
Natürlich sind Spitzenkandidatinnen wichtig. Natürlich ist es nicht unerheblich, welche Regierung aus der Mitte des künftigen Parlaments heraus gebildet werden soll – und wer sie anführt. Und natürlich darf der Hinweis nicht fehlen, dass das komplizierte Wahlrecht und eine halbherzige Reform dazu führen können, dass der 20. Deutsche Bundestag noch größer wird als der jetzige – und sich dann am Rand der Arbeitsfähigkeit bewegen könnte.
Aber am 26. September wählen wir ein ganzes Parlament und entscheiden nicht nur über die Nachfolge von Angela Merkel.