Herbert Reul: Überflieger oder Blender?

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Herbert Reul: Überflieger oder Blender?

Kommentare zum Artikel: 6

Wann haben Sie sich zuletzt über einen echten Blender geärgert?

Ich spreche von dem Menschen in Ihrer Umgebung, – meistens auf der Arbeit – der einen tollen Ruf hat und seit Jahren immer wieder gelobt wird von Chefinnen oder Kollegen.

Doch wer genauer hinsieht, auf Kennzahlen und Ergebnisberichte, der erkennt: In Wahrheit ist das gar kein Überflieger. Der hochgelobte Kollege liegt mit seiner Leistungsbilanz gerade mal im Durchschnitt, vielleicht sogar darunter. Das schadet seinem Ansehen aber nicht: Weil er gut reden und sich auch sonst super verkaufen kann, ist der Ruf des Blenders weiter tadellos, hervorragend sogar. Sein vollmundiger Auftritt überdeckt seine mäßigen Arbeitsergebnisse.

Womit wir bei Herbert Reul wären, dem NRW-Innenminister von der CDU.

Sein Job bringt es mit sich, dass er, im Vergleich zu anderen Ministerinnen und Ministern, besonders viel in der Öffentlichkeit steht. Diese Bühne nutzt Reul nach allen Regeln der Innenminister-Kunst: Mit markigen Sprüchen von „null Toleranz“ und seiner nahbaren Art, die selten ist in der Politik. Wählerinnen und Wähler – aber auch Medien – feiern ihn deshalb als Klartext-Minister.

Reuls Beliebtheitswerte sind beispiellos in dieser Landesregierung. Seit seinem Amtsantritt als Innenminister im Jahr 2017 sind sie immer weiter gestiegen. Als wir im April im NRW-Trend zuletzt die persönlichen Zustimmungswerte abfragten, erreichte Reuls Kennzahl einen weiteren Höchststand. Im Vergleich mit den anderen Regierungsmitgliedern liegt er an der Spitze. Reul ist bei den Wählerinnen und Wählern sogar beliebter als sein Chef, Ministerpräsident Hendrik Wüst.

Doch bei Reuls Arbeitsbilanz hapert es aus Sicht der Menschen. Bei unserem neuesten NRW-Trend am Wochenende kam heraus: 56 Prozent der Wahlberechtigten sind unzufrieden mit der Bekämpfung von Kriminalität und Verbrechen in NRW. Genau dafür ist Reul als Innenminister zuständig. Der neueste ist der schlechteste Wert seit Reul im Amt ist. Er ist auch mehr als eine Momentaufnahme nach den Taten von Solingen und Krefeld: Die Unzufriedenheit mit der Kriminalitätsbekämpfung steigt seit zweieinhalb Jahren immer weiter.

Diese Ansicht der Wählerinnen und Wähler ist durch die nackten Fakten gedeckt: Vergangenes Jahr wurden in NRW mehr Straftaten begangen als zu Reuls Amtsantritt. Es gab zuletzt mehr Raubüberfälle, mehr Wohnungseinbrüche, mehr Morddelikte. Die Kinder- und Jugendkriminalität hat deutlich zugenommen. Bei Vergewaltigungen gibt es mehr minderjährige Tatverdächtige. Die Anzahl der Messerattacken an den Schulen ist drastisch gestiegen. Seit Monaten hält eine Anschlagsserie mit mehreren Explosionen die Ermittlungsbehörden in Atem. Es gibt so viele rechtsextreme Straftaten wie seit vier Jahren nicht, auch mehr linksextreme, antisemitische und salafistische. Über 80 Rechtsextreme bei der NRW-Polizei wurden in den vergangenen Jahren identifiziert.

Die so genannte Clankriminalität machte Reul gleich nach Amtsantritt im Jahr 2017 zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit, Kritik aus weiten Teilen der Kriminalwissenschaft zum Trotz. Doch selbst bei seinem Lieblingsthema sprechen die Zahlen nicht für den Innenminister: Zuletzt gab es so viele Tatverdächtige und Straftaten mit Clanbezug wie noch nie, seit die Zahlen erfasst werden. Die SPD-Opposition fragte deshalb nach der Vorstellung des neuesten Lagebilds genüsslich: „20 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug – verliert Minister Reul die Kontrolle?“

Über die vielen offenen Fragen nach den Taten von Solingen und Krefeld haben wir da noch gar nicht gesprochen. Auch nicht darüber, dass der mutmaßliche Täter von Krefeld mit einem Konzept zur Früherkennung beobachtet wurde, das Reul im Frühjahr eingeführt hatte. Seine Brandsätze konnte er trotzdem werfen.

Das sind die Kennzahlen. Die Probleme dahinter sind komplex, für keine der Entwicklungen ist Reul allein verantwortlich. Doch es sind die Ergebnisberichte seiner Amtszeit. Trotzdem ist es wie beim Blender auf der Arbeit: Reuls Ruf ist weiter hervorragend. Auf Ansehen und Beliebtheit schlägt die dürftige Bilanz nicht durch.

Herbert Reul ist ein Unikat und ein politisches Phänomen. Ist er auch ein Blender? Dieses Urteil überlasse ich gern Ihnen.

Dieser Text erscheint auch als Editorial in “18 Millionen – Der Newsletter für Politik in NRW”. Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen – an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren.

Über den Autor

Studium in Dortmund und Göteborg, Forschung in Phnom Penh. Abschluss als Redakteur und Diplom-Journalist mit Schwerpunkt Politik. Volontariat bei der Fuldaer Zeitung. Seit 2008 für den WDR tätig, unter anderem vier Jahre als Chef vom Dienst bei 1Live. Vertretungen im ARD-Studio Südasien und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin, zwischendurch auch mal nominiert für den Deutschen Radiopreis. Seit 2018 in der Landespolitik-Redaktion des WDR, dort crossmedial befasst mit den Schwerpunkten Energie, Verkehr, Klimaschutz sowie Bündnis 90/Die Grünen. Mitglied des Oxford Climate Journalism Network. Tobias Zacher lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.

6 Kommentare

  1. Ein Auto ist schnell gegen die Wand gefahren aber Reparatur dauert lange.
    Reul macht seine Arbeit so gut es geht, nach dem Ausländerkriminalität in Medien über Jahrzehnte vertuscht wurde. Die libanesischen Clans kamen in den 80er Jahren, die syrischen Clans kamen um 2015 und jetzt haben wir Clankriege im Ruhrgebiet um Vorherrschaft in kriminellen Geschäftsbereichen.

    Die Regierung in Schweden ziemlich weit rechts setzt Militär dabei ein und wird nicht in absehbarer Zeit repariert bekommen was schwedische Willkommenskultur angerichtet hat. Nicht viel anders die Probleme der stramm rechten Regierung in den Niederlanden und niederländische Kriminelle mit Migrationshintergrund weiten ihre Aktivitäten aus bis nach NRW.

    Die Blender waren in den Medien die glaubten, es liegt in der journalistischen Verantwortung kein Wasser auf die Mühlen rechter Parteien zu leiten. Aber genau diese Verblendung ist Grund warum es kein Gegensteuern gab mit Folge heute als Rechtsruck in Deutschland und ganz Europa.

    Reul ist kein „Überflieger“ aber er arbeitet an Schadensbegrenzung zu gut es geht.
    Boris Pistorius ist auch beliebt weil er Dinge beim Namen nennt. Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft war kein „Geheimplan“ erfunden von AfD wie Correctiv behauptet. Zusammen mit Seehofer hat das Pistorius auf der Innenministerkonferenz 2019 bei Clankriminalität gefordert; leider ohne Konsequenzen.
    (Ex Dr.) Karl-Theodor zu Guttenberg war ein Blender, aber der erste der sich getraut hatte den Krieg in Afghanistan einen Krieg zu nennen.

    Die echten „Blender“, die so Schaden angerichtet haben den keiner so schnell wieder repariert bekommt, die findet man im Umfeld der Willkommenskultur und besonders bei Grünen.

  2. Susanne Welter am

    Dieser Artikel ist mir zu oberflächlich.
    Herrn Reul als Blender zu bezeichnen ist schon fast infam.
    Herr Reul hat schon viel verändert. Es ist einfach, das offen zu legen, was bis dato nicht so gut läuft.
    Was aber auch nicht besser laufen kann. Alle Bundesländer haben mit zunehmender Kriminalität zu tun und haben lange nicht so viel Bürger wie unser Bevölkerungsreichste Bundesland NRW.
    Noch vor kurzem musste Hr. Reul sich mit der Tatsache abfinden, das Mittel für die Polizei zusammen gestrichen werden. Ohne genügend Polizisten und der benötigten Ausrüstung, ist eine Bilanzkritik hier völlig fehl am Platze .
    Zaubern kann er leider nicht .

    • Beide Kommentare von Susanne und Raimund bieten mehr Fakten als der Artikel von Herrn Zacher, den ich nur als polemisch empfinde.
      Dieser Artikel hat nichts mit journalistischer Berichterstattung zu tun, sondern gehört in die Kategorie MEINUNG.
      Welcher Chefredakteur im WDR hat das so genehmigt? Gibt es keine Redaktionskonferenz oder ein Lektorat, das solche Entgleisungen verhindert?

  3. Der Kommentar von Zacher trifft es auf den Punkt. Reuel ist ein Blender, der es geschickt versteht, die Medien zu nutzen – insbesondere die Privaten. Kein Termin vor einer Clanvilla oder Shishahöhle ohne RTL, Sat 1etc.. Wollte Reul wirklich die Kriminalität bekämpfen, würde er die Finanzströme der organisierten Kriminalität bekämpfen und den Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. Die obige Kritik der Leser scheint mir fast aus der Pressestelle des CDU im Landtag zu kommen.

    • @Jack
      Wenn, dann läge schon eher die Vermutung nahe, der Beitrag von Tobias Zacher käme aus der Pressestelle der Grünen aus dem Landtag. Klicken Sie einfach mal auf den Namen oben unter der Überschrift und Sie finden in der Selbstdarstellung:
      „Seit 2018 in der Landespolitik-Redaktion des WDR, dort crossmedial befasst mit den Schwerpunkten Energie, Verkehr, Klimaschutz sowie Bündnis 90/Die Grünen.“
      Akzeptieren Sie einfach eine Sichtweise die nicht die Ihre ist, nur so kommt man in Diskussionen weiter.

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