Tag 70: Transparenz ist mühsam

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Tag 70: Transparenz ist mühsam

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Schmökern sie auch gerne in Telefonbüchern? Ich auch nicht. Aber in etwa so beginnt der Tag im Gerichtssaal. Der Vorsitzende Richter Mario Plein lässt zwei Kommunikationspläne der Polizei verlesen. In den Tabellen sind dutzende Polizisten mitsamt Rufnamen, Einsatzbereichen, Funkkanälen und Telefonnummern aufgelistet. Klar, das ist wichtig, um die Organisation der Polizei-Kommunikation verstehen. Aber es ist eben auch so trocken, dass am anderen Ende des Saales selbst der Oberstaatsanwalt gähnt.

Funkprotokolle für die Öffentlichkeit

Irgendwie habe ich heute das Gefühl, dass wir uns im Kreis drehen. Wieder Fragen an den Zeugen, einen ehemaligen Polizeihauptkommissar, die er in ähnlicher Form schon gestern beantwortet hat. Zwar resümiert einer der Verteidiger am Ende, dass die Zeugenaussagen „nach normalem menschlichem Verständnis nicht vertretbar waren“. Aber sind die Details zu Funkproblemen und Polizei-Hierarchien nicht schon zur Genüge besprochen worden? Oder liege ich falsch und wäre es fahrlässig, die Chance auf minutiöse Aufklärung der Polizeiarbeit verstreichen zu lassen?

Der Vorsitzende Richter hat da klarere Vorstellungen. Er beginnt am späten Vormittag, Funkprotokolle der Polizei zu verlesen, auch wenn einige Beteiligte das nicht für zwingend notwendig halten. Plein erklärt, das auch für die Öffentlichkeit zu tun: „Ich finde, das ist schon wichtig.“ Klar: Ziel dieses Prozesses ist größtmögliche Transparenz. Auch wenn das manchmal sehr anstrengend ist.

Toten-Meldung über privates Handy

Gegen 15 Uhr tauchen im Protokoll die ersten Meldungen über Verletzte auf – Menschen mit unregelmäßigem Puls und Menschen mit Schnittwunden. Um 15:10 Uhr fragt ein Polizist seinen Kollegen: „Wo bist du? Wir müssen uns mal treffen. Dein Funk ist grauenhaft“. Nicht der einzige Hinweis auf mangelhafte Funkqualität. Manche Anfunk-Versuche laufen ins Leere, manchmal kommen nur Wortfetzen durch. Um 17:01 Uhr ruft ein Polizeibeamter bei der Polizei an und meldet eine oder zwei tote Personen – er nutzt dafür sein privates Mobiltelefon. 

Die Verlesung der Funkprotokolle dauert über mehrere Stunden. Jedes Detail in der an Kürzeln, Zahlen und Uhrzeiten nicht armen Niederschrift lesen Plein und seine Kolleginnen im Wechsel vor. Umso mehr hoffe ich, dass dieser zähe Freitagnachmittag irgendwann zur Wahrheitsfindung wird beitragen können. 

Über den Autor

Geboren 1985 in Rees am Niederrhein. Studium in Bochum (Germanistik und Geschichte). Seit 2012 als Journalist in Duisburg. Onliner bei der WDR Lokalzeit aus Duisburg sowie Radiomacher (u.a. WDR5 und Deutschlandfunk Nova).

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