Die Cafeteria ist menschenleer, Justizmitarbeiter starren gelangweilt auf ihre Smartphone-Displays. Schon vor Beginn des 102. Verhandlungstags ist offensichtlich: Heute wird es deutlich ruhiger zugehen, als in der vergangenen Woche. Das zeigt sich schließlich auch im Gerichtssaal. Wo bisher zehn Angeklagte mit ihren Verteidigern saßen, nehmen heute nur noch drei Angeklagte Platz. Auf den freigewordenen Stühlen hängen jetzt laminierte Schilder: “Sitzplatz Presse”. Nur wenige davon sind besetzt.
Ungeachtet der Entscheidungen der vergangenen Woche beginnt der Verhandlungstag mit den üblichen Ritualen: Begrüßung, Feststellung der Anwesenden, Belehrung des Zeugen. Zur neuen Prozess-Situation verliert der Vorsitzende Richter kein Wort.
Polizist als Zeuge
Als Zeuge ist heute ein Polizist geladen. Der heute 55-jährige Polizist war am Tag der Loveparade in Duisburg Leiter des Einsatzabschnitts Raumschutz West, trug also Verantwortung für die Zugangsstraßen westlich des Geländes bis zum Veranstaltungseingang. Er sei schon 2007 in Dortmund und 2008 in Essen in die Loveparade involviert gewesen, berichtet er.
In seiner Aussage erzählt er sowohl von Besprechungen und Gelände-Besichtigungen im Vorfeld der Loveparade, als auch von seinen Aufgaben am Veranstaltungstag. Während sich das Unglück auf der Rampe abspielte, sei er in anderen Bereichen unterwegs gewesen: “Wir hatten noch keine Erkenntnisse über die Vorfälle auf dem Gelände.” Zu sehr war er mit den drängelnden Menschenmassen auf der Düsseldorfer Straße und vor der Vereinzelungsanlage beschäftigt.
Kaum neue Erkenntnisse
Der Vorsitzende Richter hangelt sich durch frühere Vernehmungsprotokolle und Einsatzberichte. Die Befragung des Zeugen bringt allerdings kaum Erkenntnisse, die wir nicht schon von anderen Polizisten gehört hätten. Mein Gefühl sagt: Wir drehen uns im Kreis, haben genug Polizisten gehört. Ein Satz des Zeugen lässt mich dennoch aufhorchen: “Heute würden wir vieles ganz anders machen.”