Tag 116: Der (vorerst) letzte Nebenkläger

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Tag 116: Der (vorerst) letzte Nebenkläger

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Für heute ist ein vorerst letzter Nebenkläger als Zeuge geladen, der laut Gerichtsankündigung „seinen eigenen Angaben nach am Veranstaltungstag im Gedränge verletzt worden sein soll.“ Seine Rolle ist umstritten. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren, weil es offenbar Zweifel an seinen Loveparade-Folgeschäden gibt.

Tatsache ist, dass der Mann sich zeitweise in Opferverbänden engagiert und auch die Gedenkveranstaltung „Nacht der 1000 Lichter“ organisiert hat. Seit 2010 hat er sich in etlichen Zeitungs- und Fernsehberichten geäußert. Auch heute interessieren sich mehrere Journalisten für seine Aussage. Das ist in diesem Prozess nicht die Regel.

20 Minuten Verspätung

Der Zeuge kommt mit gut 20 Minuten Verspätung in den Gerichtssaal. Er nimmt vor dem Richter Platz, den Kragen der Sweatjacke aufgestellt, als solle sie seinen Kopf stützen. Gesundheitlich sei der Zeuge angeschlagen, sagt sein Anwalt vorweg. In der Tat wirkt er gerade zu Beginn lethargisch.

Der heute 44-Jährige schildert, wie er sich am 24. Juli 2010 spontan zu einem kurzen Loveparade-Besuch entschied – gemeinsam mit seiner damals vierjährigen Tochter. Große Teile seines Berichtes sind verwirrend, bestehen aus nur schwer nachvollziehbaren Erlebnisfetzen.

Nach der Loveparade habe er sich zwar viele Youtube-Videos angesehen, „aber meine Erinnerungen passen nicht mit dem zusammen, was ich auf den Videos sehe“. In der Tat: Wirklich schlüssig ist das alles nicht. „Ich versuche das seit 9 Jahren zu sortieren und krieg das nicht hin.“

Mehrere Therapien

Zwar habe er bei der Loveparade Prellungen davongetragen, sagt der Zeuge, er sei aber „nicht der Typ, der so rumjammert“. Deshalb sei er nicht zum Arzt gegangen. Erst im Februar 2011 habe ein Arzt mehrere Monate alte Rippenbrüche diagnostiziert.

„Vorher war ich ein Riesenarschloch. Da hab ich gedacht, ich sei unverletzbar“, sagt der Zeuge. Heute sei er laut Arztgutachten erwerbsunfähig. Die psychischen Probleme seien erst nach der Loveparade 2010 aufgetaucht.  Danach habe er mehrere Therapien durchlaufen.

Richter zeigt hohes Einfühlungsvermögen

Vor der Mittagspause baut der Zeuge sichtbar ab. „Können sie das Wort ‚eng‘ nicht so oft sagen?“, fragt er den Richter. Der reagiert bei aller professionellen Distanz mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen. Er zeigt sich geduldig und nachsichtig.

Sein Engagement für die Opferinteressen bezeichnet der Zeuge heute als großen Fehler. Er sei von vielen Seiten ausgenutzt worden.

Über den Autor

Geboren 1985 in Rees am Niederrhein. Studium in Bochum (Germanistik und Geschichte). Seit 2012 als Journalist in Duisburg. Onliner bei der WDR Lokalzeit aus Duisburg sowie Radiomacher (u.a. WDR5 und Deutschlandfunk Nova).

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