Tag 124: „Bewerbungsschreiben für ein Strafverfahren“

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Tag 124: „Bewerbungsschreiben für ein Strafverfahren“

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Der Zeuge ist heute Diplomingenieur für Theater- und Veranstaltungstechnik. Zum Zeitpunkt der Loveparade war er Meister für Veranstaltungstechnik und hat für die Sicherheitsabteilung der Lopavent gearbeitet. Am Tag der Loveparade saß er in der Sicherheitszentrale.

Alte Freunde

Der 55-jährige sei für die Loveparade in Duisburg von seinem Freund und Trauzeugen, einem der Angeklagten, angeheuert worden. Er habe schon oft mit dem Angeklagten, dem damaligen Lopavent-Sicherheitschef für die Loveparade, zusammengearbeitet. Er sagt, seine Rolle sei die des Assistenten gewesen. Auch für die Loveparade in Berlin sei er schon tätig gewesen. Gleich zu Beginn der Verhandlung weist ihn der Richter mit deutlichen Worten darauf hin, dass er hier verpflichtet ist, die Wahrheit zu sagen. Doch im Laufe des Tages werden bei Gericht immer wieder Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit laut.

Zeuge: Zuständige für Sicherheit von vornherein klar

Der Zeuge berichtet, dass er die Tunnelproblematik bereits bei der ersten Besichtigung erkannt habe. Jedoch habe man ihm seitens der Lopavent versichert, dass die Stadt dafür sorgen werde, die Besucher vom Bahnhof aus so zu leiten, dass kein Druck auf die Eingänge und im Tunnel entstehe.

Auch die Schuldfrage hat der Zeuge aus seiner Sicht schnell geklärt. Alles habe mit den Polizeiketten angefangen. Im Laufe der Zeugenaussage wird für mich aber deutlich, dass der Zeuge aufgrund mangelnder Kommunikation zwischen der Sicherheitszentrale und den Verantwortlichen im Tunnel keine Kenntnis von den Dingen hatte, die sich im Tunnel vor der Bildung der Polizeikette zugetragen hatten. Was der Crowd-Manager und der leitende Polizeibeamte ausgesagt haben, wie sie die Situation erlebten, bis sie entschieden Polizeiketten einzuziehen, scheint in der Sicherheitszentrale, wo der Zeuge am Veranstaltungstag saß, auch nach der Katastrophe nicht wahrgenommen worden zu sein.

Gab es Spardruck bei der Lopavent?

Die Aussage des Zeugen ist zäh. Der Richter hält ihm seine acht Jahre alten Polizeiaussagen vor. Es werden nur wenige Beweise, wie Fotos aus der Sicherheitszentrale und eine Liste, eingeführt. Das ist bei allen Lopavent-Zeugen die Problematik. Nur wenige Dinge sind so dokumentiert, wie auf städtischer Seite. Der Zeuge sagt aus, dass er darum gebeten hatte jemanden einzustellen, der am Veranstaltungstag in der Sicherheitszentrale Protokoll führt. Doch dies sei aus Kostengründen abgewiesen worden.

Aus den anfänglich geplanten 1.400 Menschen, die als Ordner am Veranstaltungstag im Einsatz sein sollten, seien am Ende auch aus Spargründen 924 geworden, bestätigt der Zeuge. Er soll auch angeregt haben die Floats, also LKWs mit Musik, auf dem Gelände nicht so nah an der Rampe vorbeizuführen. Denn die Besucher einer Loveparade wären aus seiner Erfahrung nur gekommen, um die Floats zu sehen. Das war seine damalige Einschätzung. Das Problem: Wenn die Floatstrecke direkt am Eingang zum Gelände vorbeiführe, dann blieben die Menschen auch am Eingang, also an der Rampe, stehen. Doch sein Vorschlag, die Fahrtstrecke zu verändern, sei aus Kostengründen abgelehnt worden.

War das jetzt ein Scherz, oder Ernst, Herr Richter?

Zum Schluss hält der Richter dem Zeugen die Rechnung vor, die er damals an die Lopavent gestellt hatte. Darin nennt er sich „technischer Leiter für den Bereich Sicherheit bei der Loveparade“. Richter Mario Plein erlaubt sich dann noch die Bemerkung, dass sich das ja anhöre wie ein „Bewerbungsschreiben für ein Strafverfahren“. Ein bittersüßes Schmunzeln geht durch den Saal. Sitzt da eigentlich jemand im Zeugenstand, der auf die Anklagebank gehört, frage ich mich?  Nächste Woche wird die Befragung des Zeugen fortgesetzt.

Über den Autor

in Duisburg geboren. Nach einem Volontariat bei einem TV-Sender ging es weiter als freie Videojournalistin für verschiedene TV Sender und internationale Online-Plattformen. Seit 2016 im WDR Studio Duisburg zuhause.

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