Tag 79: Mengenlehre

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Tag 79: Mengenlehre

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Der Bereich, in dem sich zwei Mengen überschneiden, wird Schnittmenge genannt. Eine Menge in einer anderen Menge ist eine Teilmenge. Je länger ich diesen Prozess verfolge, je mehr Zeugen ich erlebe, desto mehr verfestigt sich mein Eindruck, dass die beteiligten Akteure lediglich ihre eigenen Mengen betrachtet, sich für die Schnittmengen nicht interessiert und die Teilmengen an neuralgischen Stellen ignoriert oder als unwichtig eingeordnet haben.

Nicht mein Bereich

Auch der Crowd-Manager spricht in seiner Vernehmung gestern und heute immer wieder davon, dass Dinge außerhalb seines Einflussbereichs gewesen seien: “Das war nicht mehr mein Bereich”, sagt der 48-jährige Psychologe immer wieder. “Dafür war ich nicht zuständig.” Etliche Male habe ich das auch von anderen Zeugen gehört. Aber eine Großveranstaltung lässt sich eben nicht in eine Masse einzelner Mengen aufteilen. Sie ist eine große Menge mit Teilmengen, die wiederum Schnittmengen bilden.

Viele Einzelteile ergeben nicht zwingend ein Ganzes

Der Zeuge berichtet, er sei von seiner Leitstelle abgebügelt worden, als er eine dramatische Lage am Fuß der Rampe meldete und vorschlug, die Eingänge komplett zu schließen. Für ihn zählte in erster Linie, was in seinem Verantwortungsbereich geschah und wie man dort Probleme lösen konnte. Was sich vor den Eingängen abspielte, hatte er im Wortsinn nicht im Blick, denn er hatte von dort keine Kamerabilder. Außerdem sei er dafür nicht zuständig gewesen.
Die Polizei außerhalb des Veranstaltungsgeländes wiederum hatte anscheinend nur die brenzligen Situationen auf den Zuwegen im Blick – die Lage innerhalb war “Sache des Veranstalters”, wie nicht nur der Polizeieinsatzleiter in seiner Zeugenaussage immer wieder betont hatte. Zwar gab es Unterstützung durch Polizeieinheiten. Deren Kommunikation mit den Vorgesetzten funktionierte aber augenscheinlich nicht besonders gut – dieser Eindruck verfestigt sich jedenfalls bei mir durch die Aussage des Zeugen.

“Das Gedächtnis ist ein Konstrukt”

Wenn es denn so war, wie der 48-Jährige meint, sich zu erinnern. Denn wie der Psychologe gestern selbst gesagt hat: “Das Gedächtnis ist ein Konstrukt”. Es bastelt sich seine Welt. Das schürt nicht grade die Hoffnung, durch diesen Prozess könne die einzige, echte Wahrheit ans Licht gebracht werden.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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