Tag 83: Im Auge des Tigers

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Tag 83: Im Auge des Tigers

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Mitten im Unglücksgeschehen – “im Auge des Tigers” wie er selbst sagt – war der heutige Zeuge bei der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 in Duisburg. Der Polizeibeamte führte die Hundertschaft, die sich an Rampe und Tunnel im Einsatz befand – also dort, wo 21 Menschen bei der Massenpanik starben.

Sorge vor “Flaschenhals-Situation”

Der 49-jährige Zeuge berichtet zunächst in einem längeren freien Vortrag über seine Erfahrungen rund um die Loveparade. Manches ist schon aus vorherigen Zeugenaussagen von Polizisten bekannt: der interne Streit um Dienstzeiten und Schichtwechsel zum Beispiel.

Der Polizist sagt aus, dass er und seine Kollegen vorab Bedenken geäußert hätten gegen das Loveparade-Areal auf dem ehemaligen Duisburger Güterbahnhof. “Wie nach dem Zweiten Weltkrieg” habe das verlassene Gelände ausgesehen. Eine “Flaschenhals-Situation”, ein “Pfropfen” von Menschen am Zugang zum Partygelände sei vorab ebenfalls Thema gewesen.

Auch dass mehrere Polizei-Fahrzeuge bereitgestellt worden seien, um im Bedarfsfall Absperrungen im Eingangsbereich zu erleichtern, sagt er. Denn mit “Manpower” allein könne man Absperrungen im Bereich des Rampenzugangs wohl nicht durchführen, so sei seine Einschätzung gewesen.

Seine Zweifel stellte der Zeuge nach eigenen Angaben zurück. Er sei davon ausgegangen, es “wird sicherlich Erfahrungswerte” geben bei solchen Veranstaltungen. Am Tag der Loveparade kam es dann tatsächlich zu einem immer dramatischeren Gedränge, weil die Besuchermassen nicht über die Tunnel und die Rampe hoch zum höher gelegenen Technoparty-Gelände gelotst werden konnten.

Wieder die Polizeiketten

Als es um die Eskalation am Unglückstag geht, spricht der Zeuge mit stockender Stimme. Er berichtet über die umstrittenen Polizeiketten, die schon an den letzten Prozesstagen Thema waren.

Auch über die gestörte Funk- und Telefonkommunikation sagt er aus – ebenso über verzweifelte Versuche, den immer stärker überfüllten Bereich polizeilich zu räumen. Er habe noch “gehofft”, den Menschen im Gedränge zu helfen – vergeblich. Der Zeuge reibt sich dabei sichtlich emotionalisiert mit beiden Händen durchs Gesicht.

Der Zeuge macht eine kurze Pause, als er berichtet, wie er am späten Unglücksnachmittag die erste Katastrophenmeldung hörte: “Hier liegen Tote”. Er habe das nicht glauben können. Bis heute belaste ihn das Geschehen. “Was hast du falsch gemacht”, frage er sich. Vor seiner Zeugenaussage habe er sich “psychologisch coachen lassen”, sagt er. Die Zeugenvernehmung des 49-Jährigen wird am morgigen Prozesstag fortgesetzt.

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

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