Tag 91: Sonderbauverordnung

https://blog.wdr.de/loveparade-prozess/tag-91-sonderbauverordnung/

Tag 91: Sonderbauverordnung

Kommentare zum Artikel: 0

Der Tag beginnt am Mittag mit dem Ansehen zweier weiterer Videos. Es sind Aufzeichnungen von Überwachungskameras aus dem Tunnel im Zeitraffer. Es ist gut zu sehen, wie es mal voller, mal wieder weniger voll wird, wann also die Vereinzelungsanlagen unkontrolliert geöffnet wurden und wann sie geschlossen waren. Auch die Polizeiketten, die zwischenzeitlich im Tunnel eingezogen wurden, sind deutlich zu sehen.

Ministerialrat als Zeuge

Nach einer Stunde wird der heutige Zeuge in den Saal gebeten. Er konnte nicht früher, deshalb musste der Prozesstag am Mittag starten. Der 59-Jährige war und ist im Bauministerium Leiter des Referats “Brandschutz”. Er sei, so berichtet er, im Vorfeld der Veranstaltung von dem Ingenieur, der das Brandschutzgutachten für die Loveparade erstellt hatte angerufen und gefragt worden, ob im Rahmen der sogenannten Sonderbauverordnung unter bestimmten Voraussetzungen die Rettungswege schmaler als gesetzlich vorgesehen ausfallen könnten. Das habe er zwar grundsätzlich bejaht, aber auch klar gemacht, dass er die Anwendung dieser Sonderbauverordnung für das Loveparadegelände nicht geeignet finde.

Stellungnahme im Innenausschuss

Kurz nach dem Unglück stand der Zeuge dann im Innenausschuss Rede und Antwort – unter anderem zu der Frage, wofür genau denn eigentlich das Bauamt der Stadt Duisburg bei den Genehmigungen zuständig gewesen sei. Dort hatte er die Position bezogen, dass die Behörde beispielsweise nur dazu verpflichtet gewesen sei, sicherzustellen, dass es überhaupt ein Sicherheitskonzept für die Veranstaltung gab. Ob das plausibel war, für diese Frage sei das Bauamt nicht zuständig gewesen.

Weiter geht es nächste Woche

Das Gericht ist recht schnell mit seinen Fragen durch, denn mit der eigentlichen Planung war der Zeuge ja nicht befasst. Aber er war möglicherweise nicht unwichtig für die Entscheidung der Baubehörde, die Veranstaltung überhaupt zu genehmigen. In der kommenden Woche sind Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung dran – sie haben einen ganzen Prozesstag lang Zeit, um unter anderem diese Frage zu klären.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

Top