Als kalter Krieger in New York – Einwanderung der etwas anderen Art

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Als kalter Krieger in New York – Einwanderung der etwas anderen Art

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Der DDR-Bürger Albrecht Dittrich wurde als KGB-Spion in die USA eingeschleust – als Jack Barsky ist er heute ein überzeugter “richtiger“ Amerikaner. Eine Lebensgeschichte wie aus einem Spionageroman von John le Carré.

Eine Reiseerlaubnis? Und das auch noch – für die USA? Undenkbar, der Traum eines jeden DDR-Bürgers in den 1970er Jahren. Kein Problem für Albrecht Dittrich. Im Gegenteil: So eine Reiseerlaubnis gehörte zum Arbeitswerkzeug des Mannes, der von der DDR-Staatssicherheit gemeinsam mit dem sowjetischen KGB für eine ganz besondere Mission ausgewählt und jahrelang ausgebildet wurde: Dittrich sollte in die USA einreisen, sich eine legitime Identität verschaffen, Zugang zu “interessanten” Kreisen finden und später als gut getarnter Spion Wissenswertes aus dem Feindesland an den Ostblock liefern.

Barsky setzte seinen Auftrag um, trotz vieler Planungsfehler flog er nicht auf und wurde nach und nach zum “richtigen Amerikaner” – allerdings wurde das Feindesland mit den Jahren auch mehr und mehr zu seiner Heimat. Der Spion blieb, er machte Karriere als Informatiker, er wurde mehrfacher Vater. Er lernte die Liebe kennen, wie er sagt, insbesondere durch seine Tochter Chelsea, die heute Ende 20 ist.

Mit dem Fall des eisernen Vorhangs schwand auch die Gefahr, dass man ihn zurückrufen würde. Jack Barsky – ein Spion, dem die Auftraggeber abhanden gekommen waren, ein glücklicher Mann. Blieb noch eine große Sorge: Was, wenn man ihn doch noch entdecken, wenn man ihn doch noch enttarnen würde? Als der Tag kam, war Albrecht Dittrich froh, dass er sich endlich aus seinem ganz persönlichen Lügengebäude befreien konnte; er blieb trotzdem “Jack Barsky” – und ist heute der überzeugteste US-Amerikaner, den man sich vorstellen kann.

Eine wirklich spannende und einzigartige Lebensgeschichte, die Jack Barsky alias Albrecht Dittrich nun gemeinsam mit einer Co-Autorin aufgeschrieben hat und der staunenden Welt präsentiert. Was Barsky erlebt hat, liest sich phasenweise wirklich wie ein Roman von John le Carré, dem Altmeister der Spionageliteratur, allerdings entschlackt von jeglicher Aktion – die Alltagsgeschichte eines Geheimkämpfers im Kalten Krieg.

Trotzdem ist das extrem packend – zum Beispiel mitzuverfolgen, wie Dittrich/Barsky nach langem Training endlich in die USA einreisen kann und dabei der ganze Plane ins Stolpern gerät, an der Realität zu scheitern droht; infolge schlechter Planung landet der Spion, der aus der Kälte kam, zum Beispiel anfangs als einziger Weißer in einem Hotel, das in einem “Schwarzenviertel” in Chicago liegt, ein enormes Risiko. Hoch interessant auch, wie er sich in New York einen Job als Fahrradkurier verschafft, nach und nach seine Existenz mehr und mehr legalisiert, schließlich nochmal an die Uni geht, Informatik studiert und irgendwann groß Karriere macht, ausgerechnet bei einem Versicherungsunternehmen, im Herz des Kapitalismus gewissermaßen.

Was ihm wirklich leid tue, sagt Barsky heute, seien die Verletzungen, die er Angehörigen angetan habe, mehr oder minder gezwungenermaßen: Der Agent hatte Frau und Kind in der DDR, alle zwei Jahre konnte er einen “Heimaturlaub” machen und die Familie sehen. Allerdings heiratete er irgendwann auch in den USA – ironischerweise, um seiner dortigen Lebensgefährtin, einer illegalen Einwanderin, eine legale Existenz zu verschaffen.

Die Frucht dieser Ehe, die wie die “eigentliche” in Ost-Berlin längst zerbrochen ist, war Tochter Chelseae – die in ihm, wie Barsky sagt, erstmals im Leben die Fähigkeit zu lieben lehrte. Chelsea war es auch, die über Facebook Kontakt zu ihren Halbgeschwistern in Deutschland aufnahm und für Versöhung sorgte; heute ist Jack Barsky mit allen in Kontakt, lediglich seine Exfrau in Ostberlin ist verschlossen bis zurückhaltend. Was man ziemlich gut nachvollziehen kann: Bis vor kurzem ging sie davon aus, dass ihr Mann gestorben ist, an AIDS – das war nämlich der Trick, mit dem Barsky, der unbedingt in den USA bleiben wollte, den Fängen des KGB entkam, als er Anfang der 90er Jahre zurückgerufen wurde: Er meldete, er habe sich mit dem Virus infiziert.

Barsky selbst hat noch einmal geheiratet, ist nochmals später Vater geworden, ein glücklicher Mann, der in seinem Leben vieles aufgeben musste und dafür gleichzeitig viel gewann. Durch seine Frau hat der ehemals super überzeugte Kommunist heute zum Christentum gefunden, auch das eine schöne Ironie der Geschichte…

Jack Barsky und Cindi Coloma: Der falsche Amerikaner. SCM Hänssler, 2017. 424 Seiten. Euro 19,95. ISBN 978-3775158268

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