Ein “neues” Buch von Henning Mankell und dann auch noch sein Debüt, das ist im Jahr 2018 doch etwas überraschend; immerhin ist der Superstar der schwedischen Literatur seit drei Jahren tot, im Oktober 2015 verlor er den Kampf gegen den Krebs endgültig.
Gut, ein Mankell geht immer, bis hin zum Bestseller, auch posthum. Erstaunlich ist insofern vor allem, dass ausgerechnet sein Debütroman erst jetzt auf Deutsch erscheint – vor allem deshalb, weil “Der Sprengmeister” ein richtig guter Roman ist, der auch 45 Jahre nach seinem Erscheinen höchst aktuell ist.
Wenn auch untypisch für Mankell, was möglicherweise das Zögern des Verlags erklären könnte: Ein eher experimentell und assoziativ erzählender Roman; ein Puzzle aus vielen Momenten, Anekdoten, Erinnerungen. Eine Rekonstruktion: Es geht um die Lebensgeschichte des Sprengmeisters Oskar Johansson, der schon mit Anfang 20 einen schweren Arbeitsunfall nur knapp überlebte, hinterher schwer behindert war, sich trotzdem durchschlug – durchschlagen musste, irgendwie.
Eine Geschichte, die vom Anfang des Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre führt. Der Erzähler, also Mankell, ist Johansson auf einer entlegenen Schäreninsel, wo der Sprengmeister seinen kargen Lebensabend verbrachte, mehrfach begegnet; es geht also auch um eine Näherung zwischen den beiden, zwischen zwei Generationen – und natürlich geht es um Mankell selbst, in seinen studentenbewegten Jahren.
Die werden vom Erzähler nicht nur beschrieben, er schaut vom Arbeitsplatz auf Demonstrationen etc. – sie fließen auch in das Romankonstrukt ein. Ein Blick auf “die Arbeiterklasse” also, ganz klassisch für diese Zeit, aber ohne jeden Dünkel, ohne Ideologie, einfach nur: ein Blick.
Also auch: Eine Reflexion übers Schreiben und über die Konstruiertheit/die Gemachtheit von (Lebens-)Geschichten; ein Spiel mit Fakten und Fiktionen. Interessant ist dabei auch, das Mankellsche Werk sozusagen von hinten nach vorne zu lesen und auf typische Motive abzuklopfen, die sich in diesem für ihn untypischen Roman durchaus auch schon finden lassen; das Nachdenken über das Altern beispielsweise, die Frage von “Männerrollen” in der Gesellschaft.
Aktuell ist “Der Sprengmeister” deshalb, weil die Prozesse um Arbeit und Ausbeutung, die an der Geschichte exemplarisch festgemacht werden, heute wieder oder nach wie vor ein Thema sind, ergänzt durch den Blick auf Ausbeutungsstrukturen in der so genannten Dritten Welt und daraus resultierenden Migrationsbewegungen. Mankell erzählt insofern nicht nur eine schwedische Kleineleutegeschichte, sondern eine grundsätzliche.