Die Zwanziger Jahre in Berlin sind extrem angesagt im Moment; krönender Höhepunkt des Hypes ist die Serie “Babylon Berlin”, die auf den Kriminalromanen von Volker Kutscher beruht. Vorläufer dieses Trends gibt´s schon seit vielen Jahren – einer der interessantesten ist der Amerikaner Jason Lutes: Schon in den 1980er-Jahren kam ihm die Idee zu einer Geschichte über die Weimarer Republik und ihren Untergang; nach zweieinhalb Jahren Recherche in Bibliotheken und Antiquariaten in Seattle, wo er lebte, machte Lutes sich an die Arbeit – die über Jahrzehnte andauern sollte. Das Ergebnis: Drei Geschichten über die Zeit in Berlin – “Steinerne Stadt”, “Bleierne Stadt” und “Flirrende Stadt”. Die drei Teile erschienen zwischen 2000 und 2018; als “Berlin – die Gesamtausgabe” veröffentlicht der Carlsen Verlag sie heute im großen Ganzen – ein Mammut von einem Buch bzw. Comic (46 Euro, übersetzt von Heinrich Anders, mit berlinernden Elementen von Lutz Göllner).
Das Berlin von Jason Lutes ist eine Welt, in der man sich verlieren kann; die Geschichte, die eher eine Untersuchung der Zeit als “nur” Story ist, verfolgt verschiedene Protagonistinnen und Entwicklungen von 1928 bis 1945. Ein Opus Magnum, grandios, beeindruckend. Wie kommt es, dass ein US-Amerikaner aus Seattle so ein Panorama entwirft, beginnend vor dem Mauerfall? Wie hat er welche Bilder gefunden, viele davon wohl lange, ohne selbst persönlich vor Ort gewesen zu sein? Wie war dann der Abgleich mit der Realität? Und wie hat die Geschichte, haben die Figuren während der Produktionszeit in ihm selbst gearbeitet? Auf solche und ähnliche Fragen, die sich unweigerlich stellen, wenn man “Berlin” liest, gibt´s in den nächsten Tagen möglicherweise persönliche Antworten: Jason Lutes tourt mit seinem Werk durch Deutschland; am 30. Januar spätnachmittags wird er zum Beispiel im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin zu Gast sein, am 5. Februar ab 19.30 im Kölner Literaturhaus.