Diese Woche wurde die Longlist für den Deutschen Buchpreis veröffentlicht. Mit dabei: Katerina Polodjan mit ihrem Roman “Hier sind Löwen” (S. Fischer, Euro 20,–) Im Zentrum steht Helen Mazavian, Restauratorin alter Handschriften, die durch ein Uni-Austauschprogramm nach Armenien kommt, wo sie eine uralte und ziemlich beschädigte Haus-Bibel restaurieren soll. In dieser Bibel finden sich jede Menge kleine Kritzeleien und Anmerkungen – und auch der Satz “Hrant will nicht aufwachen”, der wohl zur Zeit des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich geschrieben wurde. Helen spürt dieser Geschichte nach, dazu erkundet sie die Gegenwart Armeniens, inklusive Liebesgeschichte, auch ganz persönlich also, zugleich ist das Ganze aber auch eine Auseinandersetzung mit ihren eigenen, unbekannten Wurzeln. Katerina Polodjan kam 1971 in Moskau zur Welt, 1979 migrierte sie mit ihrer Familie nach Deutschland; auch sie selbst hat armenische Wurzeln, ein Großvater überlebte den Völkermord, “Hier sind Löwen” hat also wohl auch eine autobiographische Note. Ein ausgesprochen vielschichtig, geschickt konstruierter, sorgsam und bedacht erzählter Roman, der in konzentrierten Skizzen ganze Welten aufscheinen lässt.
Dilek Güngör kam 1972 in Schwäbisch-Gmünd zur Welt, ihre Eltern stammen aus der Türkei; sie ist dem einen oder anderen bekannt durch ihre Glossen in der Berliner Zeitung, die auch schon in Buchform veröffentlicht wurde – und natürlich durch den Roman “Das Geheimnis meiner türkischen Großmutter”, der 2008 erschien. Nach langer Pause hat sie nun ein neues Buch veröffentlich – den Roman “Ich bin Özlem” (Verbrecher Verlag, Euro 19,–) Darin erzählt eben Özlem, eine Frau um die 40, von ihrem Leben in gut situierten Berliner Akademikerkreisen – und davon, wie ihre Herkunft, ihr “Migrationshintergrund” ihr Leben prägt. Dann etwa, wenn sie für Freunde kocht, mit gutem Feedback allerseits, und trotzdem mit dem steten Zweifel, ob sie nicht irgendwie unangenehm riecht. Oder dann, wenn es um eine “Problemschule” geht, auf der “nur Araber und Türken” sind, wie es einer aus dem ansonten betont liberalen Freundeskreis formuliert. Der Alltagsrassismus also, der auch bei denen tief verankert sein kann, die davon überzeugt sind, keine Rassisten zu sein. Ein fast soziologischer Roman, wenn man so will, nüchtern geschrieben, exemplarisch dramatisidert, ein spannendes und kundiges Buch zum Thema “Migration und Identität”.
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Katerina ohne h.
Danke!