Krimi aus Australien – war ein Ding in den letzten Jahren: Jede Menge klasse Geschichten, die die Variationsbreite des Erzählens von Genre tief ausschöpften, einer “der” globalen Krimi-Hotspots, sozusagen.
Mit dabei, ganz vorne, Alan Carter, geboren 1959, ein Engländer, der in Australien lebt, schon seit 1991. Also: ein Australier. Wie auch immer, seine Romane “Prime Cut” und “Des einen Freud” (beide erschienen bei Nautilus) waren klasse, auf die Fortsetzung der Reihe um Cato Kong darf man sich freuen – zur Verkürzung der Wartezeit erschien jetzt aber erstmal ein Stand-Alone auf Deutsch, der Roman “Marlborough Man” (Suhrkamp, Euro 14,95, übersetzt von Karen Witthuhn), der auch klasse ist, sehr sogar. Auch wenn die Geschichte in Neuseeland spielt, was ihr keinerlei Abbruch tut. In einem Mini-Revier, das dort dann wirklich am Ende der Welt liegt, ermittelt Nick Chester, ein aus England stammender Polizist mit geheimnisvoller Vergangenheit; zusammen mit seiner Kollegin Latifa Rapata, einer Maori, die nebenbei Jura studiert, weil sie weg will aus dem Kaff. Und weil sie etwas bewirken können möchte. Die beiden haben es aktuell vor Ort mit einem Typen zu tun, der kleine Jungs entführt und tötet – und zugleich auch zunehmend zugespitzt mit Nicks Vergangenheit, die ihn auch eben am Ende der Welt einholt, es geht um einen Gangster in Sunderland, den er als Untercover-Bulle in den Knast gebracht hatte. Daneben: Sehr, sehr viel Gesellschaft und Milieu aus dem “Marlborough District”, bekannt übrigens auch aus anderen Zusammenhängen, da ist die Gegend ein Ort namens “Mittelerde”.
Wer von “Krimi aus Australien” spricht, darf von Garry Disher natürlich nicht schweigen – er ist so etwas wie der lebende Klassiker der Genreliteratur aus Down Under; ein Vorreiter aus heutiger Sicht, der schon seit um die 20 Jahren auch auf dem deutschsprachigen Markt präsent ist. Bekannt wurde Disher einerseits mit seiner Reihe um den “ehrenhaften” Gangster Wyatt, an der er schon seit 1991 arbeitet – und andererseits mit Dutzenden Geschichten aus verschiedensten Segmenten zwischen Jugendliteratur und Polizeiroman. Dass Garry Disher nicht bloß ein lebender, sondern ein höchst lebendiger Klassiker ist, belegt ein Blick auf die aktuelle Krimi-Bestenliste, dort haben sich gleich zwei neue Romane von ihm platzieren können: “Hitze” (Pulp Master, Euro 14,80, übersetzt von Ango Laina und Angelika Müller), der achte und neue Wyatt, in dem es der Gangster mit Raubkunst aus dem NS-Zeit zu tun bekommt – ein exzellent geplottetes und erzähltes Genrestück. Und “Kaltes Licht” (Unionsverlag, Euro 22,–, übersetzt von Peter Torberg), ein abgeklärter Polizeiroman, der ausgesprochen souverän Milieu und Gesellschaft spiegelt – und in dem ein Cold Case sehr viel heißer ist, als man es sich anfangs vorstellen kann.
Zwei Männer, drei Romane – mit mal mehr, mal weniger bemerkenswerten weiblichen Charakteren. Wer australische Genreliteratur von Frauen lesen möchte, hat auch eine reiche Auswahl. Allen voran: Candice Fox. Um sie kommt man eh nicht herum – in Sachen Krimi aus Australien ebenso wie in punkto Genre weltweit. Fünf ihrer Romane sind bislang ins Deutsche übersetzt worden, allesamt absolut lesenswert – gerade noch genügend Zeit für die Lektüre, bevor Mitte November der sechste Streich raus kommt: “Missing Boy” heißt er, wir werden berichten.