Tja, genau, auch so kann man auf die aktuelle Politik schauen: Der Roman “Die Kakerlake” von Ian McEwan ist ein Tipp für alle, die vom Gewese um den BREXIT noch nicht völlig entnervt sind. Beziehungsweise: Ein Tipp eigentlich insbesondere auch genau für die völlig Entnervten …
Wer in diesem Jahr zu Weihnachten ein Buch verschenken und sich dabei aus der Bestsellerliste bedienen möchte – dem würde ich den sehr hübsch fiesen kleinen Roman “Die Kakerlake” von Ian McEwan empfehlen (Diogenes, Euro 19, übersetzt von Bernhard Robben). Okay, noch findet sich das Buch nicht in den Charts, ist gerade frisch rausgekommen, ein unangekündigter Schnellschuss, so nennt man so etwas. Aber vor Weihnachten wird “Die Kakerlake” oben in den Top Ten stehen, die Prognose wage ich jetzt mal, ohne großes Risiko. Warum? Weil eigentlich fast alle Titel von Ian McEwan zu Verkaufserfolgen werden, und dieser hier hat, sagen wir, nochmal eine ganz andere, zugespitzte Aktualität als die sonstigen.
In leichtfüßiger Verneigung vor Kafkas Klassiker-Text “Die Verwandlung” spielt McEwan mit vielen Verweisen auf die politische Situation in Großbritannien an, auf den Brexit also – den die Menschen nicht bewältigen können, so dass es schon eine, wenn man so will, höhe entwickelte Gemeinschaft braucht, die der Kakerlaken nämlich, die ja immerhin schon seit Jahrtausenden allem Unbill zum Trotz erfolgreich weiter existiert.
Die Idee: Diverse Damen und Herren Minister, inklusive des Premiers, wachen eines morgens in Körpern von Kakerlaken auf – und umgekehrt. Die Kakerlaken haben jetzt also das Sagen in der Politik. Eine Politik mit seltsamem und ziemlich radikal-robustem Politikverständnis, das nur noch ein Ziel hat: sich durchzusetzen, mit welch abstrusen Ideen auch immer. Könnte man auch “Trumpismus” nennen, aber gut. Jedenfalls nehmen jetzt die Dinge ihren Lauf, so ver-rückt und unglaublich das dann im Einzelnen jeweils auch scheinen mag. Insbesondere, wenn es um die Idee des Reversalismus geht, die eben um jeden Preis durchgeboxt werden soll: Ein Wirtschaftssystem, dessen Grundkoordinaten von den Beinen auf den Kopf gestellt werden sollen; wer arbeitet, darf bezahlen, wer konsumiert, wird dafür bezahlt. Davon können doch alle nur mächtig profitieren – oder? Na ja, zumindest das Ungeziefer an der Macht …
“Die Kakerlake” ist jedenfalls eine beissend-bissige Satire, sehr vergnüglich zu lesen, man vergisst vor lauter Insichhineingriensen zwischendurch fast wie bitter und grotesk die Realität ist, die da parsifliert wird.