Südkorea ist im Moment in Hotspot in der internationalen Literatur – insbesondere, wenn es um Kriminalromane geht. Zwei aktuelle Beispiele belegen das einmal mehr: „Der rote Apfel“ von Mi-Ae Seo, ein gewitzter Serienkillerroman. Und „Heißes Blut“ von Un-Su Kim, ein opulentes Gangster-Epos.
“Der rote Apfel” (übersetzt von Ki-Hyang Lee, Heyne Verlag, Euro 12,99) ist der erste Roman von der Schriftstellerin und Drehbuchautorin Mi-Ae Seo, der ins Deutsche übersetzt wurde. Es geht zum einen um einen Brand in einem Wohnkomplex, bei dem zwei alte Menschen sterben, nur die Enkelin überlebt. Zum anderen erzählt Mi-Ae Seo von einer jungen Profilerin, die sich auf Bitten der zuständigen Behörden darauf einlässt, mit einem Serienmörder zu sprechen, den alle den “Killer mit dem zarten Gesicht” nennen. Eines Tages kommt Sankyong von der Arbeit nach Hause – und findet ihren Mann mit einem Kind vor. Die Überlebende des Brandes, seine Tochter, muss fortan bei ihnen leben, denn ihre Mutter hat sich vor einiger Zeit umgebracht. Ihr Mann, ein Arzt, hatte Sankyon nichts erzählt von seiner Tochter aus einer früheren Beziehung – und plötzlich ist sie zuständig, denn wir befinden uns in einer patriarchal geprägten Gesellschaft. Bald merkt Sankyong, dass die Kleine irgendwie merkwürdig ist – manches an ihrem Verhalten erinnert an Menschen aus ihren Fällen, und bei dem Brand bei den Großeltern gibt´s einige Ungereimtheiten. Dann nimmt die Geschichte ihren Lauf – in der ja auch der Serienmörder mit dem Babyface noch auf seinen großen Auftritt wartet … Nicht übel, wie Mi-Ae Seo die beiden Ebenen dann zusammen wirken lässt – ein ziemlich ungewöhnlicher und unterhaltsamer Krimis, der neue Wege geht – und einmal mehr die Auseinandersetzung mit der Frage: Was ist eigentlich das Böse. Mit einer Antwort, die nicht jedem schmecken wird …
Ganze Horden von Ganoven stellt der Gangsterroman “Heißes Blut” von Un-Su Kim (übersetzt von Sabine Schwenk, Europaverlag, Euro 24,–) auf; angesiedelt in der Hafenstadt Busan. Die meisten sind kleine Handlanger, ein paar großkopferte sind allerdings auch dabei. Im Zentrum der Geschichte, in der es im Prinzip darum geht, wer welche “Märkte” wie kontrolliert und abschöpft, steht Hiusu, Anfang, Mitte 40. Offiziell ist er Manager eines Standhotels; tatsächlich so etwas wie der CEO von Vater Son, dem das Hotel gehört, der tatsächlich aber seit Jahrzehnten das organisierte Verbrechen im Stadtteil Guam kontrolliert – und zwar mit Verbrecherehere, mit Umsicht, unter Vermeidung von offenen Konflikten. Eine Ordnung, die funktioniert, weil die Dinge ihren Platz haben in einem ausgefuchsten System, das alle diejenigen, die ein wenig oder auch mehr Macht haben, mehr oder minder ordentlich verdienen lässt. Aber natürlich bleibt die Dinge nie so, wie sie austariert wurde; natürlich gibt es immer jemanden, der denkt, er habe zu wenig Macht. Oder der denkt, es gebe Notwendigkeiten, die Ordnung in Frage zu stellen. Und natürlich gibt es immer Schwierigkeiten, mit denen niemand rechnen konnte. Das Ergebnis: Streit, Auseinandersetzungen, Bandenkriege. Die Frage ist nur, wo Hiusu, der Manager, am Ende landen wird … “Heißes Blut” ist ein grimmiger, opulenter, teils auch ausufernder Gangsterroman, der nebenbei auch eine Zeitgeschichte des Landeserzählt – und der, nebenbei, auch davon berichtet, welche Rolle die Migration bei der organisierten Kriminalität spielt, es werden oft nömlich die Männer “Gangster”, die keine andere Wahl haben, weil sie als Kriegsflüchtlinge sonst keine Chance hätten, Geld zu verdienen und zu überleben.