Ein Traum von Freiheit, der – zunächst – nur für einen Augenblick Realität wurde: Alaa al-Aswanis Roman “Die Republik der Träumer“ ist eine packende literarische Reminiszenz an den Arabischen Frühling in Ägypten.
Wie erzählt man von einer Revolution? Von eigentlich unfaßbaren Ereignissen, wie sie sich im Januar 2011 in Ägypten passiert sind? Von Tausenden Menschen, die zigtausendfach Erfahrung und Erleben damit verbinden? Von Gräueln und Gewalt – aber auch von der großen Hoffnung, den Träumen? Allaa al-Aswanis Roman “Die Republik der Träumer“ hat im Prinzip weder einen Anfang noch ein Ende, dafür allerdings einen Höhepunkt, der es in sich hat, der historische Moment rund um den “Tag des Zorns“ am 28.1., als der Funke der Rebellion überzuspringen schien, als das System wankte, als da tatsächlich plötzlich Freiheit war.
Und Freiheit, das meint hier nicht nur Befreiung von einer despotischen Politik, sondern Perspektive im Hinblick auf eine liberale, gerechte, offene Gesellschaftsform mit der Möglichkeit, sein Leben so zu leben, wie man will. Dass das dem Einen oder der Anderen gelingt, für ein paar Tage oder Wochen, das ist schon so etwas wie ein Wunder dieser Zeit, ein Leben in der zumindest temporär vorhandenen Republik der Träumer. Andere haben nur einen Moment der Hoffnung – und bezahlen dafür den höchsten Preis.
Der Roman erzählt von dieser Zeit, indem er in die Leben von einem Dutzend Menschen eintaucht, die in irgendeiner Form beteiligt sind; die einen sehnen die Freiheit herbei, die anderen tun alles, um sie zu verhindern. Dabei wissen letztere, die Profiteure des Systems, genau, was zu tun ist, um zu verhindern, dass sich tatsächlich Grundlegendes ändert, und zwar mit allen Mitteln. Und möge es auch ein ungeahntes “Bauernopfer“ kosten, die Absetzung des ewigen Diktators …
Alaa al-Aswani entwirft in seinem Roman “Die Republik der Träumer“ ein weit gespanntes, trotzdem aber detailreiches Panoptikum dieser Zeit des arabischen Frühlings in Ägypten. Die Struktur der Geschichte erinnert an die einer Fernsehserie, mit Cliffhangern, Spannungsbögen und allem Pipapo; die Perspektiven wechseln versiert zwischen Nähe und Distanz, das große Ganze ist ebenso im Blick wie das Private und Persönliche. Eine hervorragend konzipierte und dramatisierte Geschichte; beeindruckend in ihrer Vielstimmigkeit, Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit. So zum Beispiel kann man von einer Revolution erzählen – und von ihrem fast unvermeidbaren Scheitern.
Alaa al-Aswani, der nicht bloß Schriftsteller, sondern auch Zahnarzt ist, weiß wovon er schreibt, er war einer der Protagonisten der Bewegung damals, seine Praxis wurde zu einem der Rückszugsorte der Demonstrierenden. Nach den diversen politischen Entwicklungen in Folge der Geschehnisse vor zehn Jahren und der Machtübernahme des heutigen Regimes, bekam der Schriftsteller ein Publikationsverbot, auch “Die Republik der Träumer” durfte in Ägypten offiziell nicht erscheinen. Heute lebt al-Aswani im Exil in New York. “Seine” Revolution wurde niedergeschlagen, trotzdem sei sie nicht gescheitert, davon ist er überzeugt, denn alle wirklich erfolgreichen Aufstände, bräuchten sehr viel Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. So gesehen wäre “Die Republik der Träumer” im Kern nicht zuletzt auch eine Vision für die Zukunft.
Alaa al-Aswani: Die Republik der Träumer. Aus dem Arabischen von Markus Lemke. Hanser Verlag, 2021. 464 Seiten. ISBN 978-3-446-26749-7. Euro 25,–