In ihrem Weltbestseller “Kim Jiyoung, geboren 1982” erzählt Cho Nam-Joo die durch und durch typische Geschichte einer jungen Frau um die Dreißig – mit ihrem Weg durch die Gesellschaft. Und mit der Frage, wie die Chancen und Risiken verteilt sind im Leben, eben wenn du eine Frau bist in dieser Gesellschaft.
Kim Jiyoung ist also sowas wie die “Erika Musterfrau” aus Südkorea: Sie ist verheiratet, ein Kind, jobt ein wenig nebenher, weil das Leben so teuer ist, speziell auch die Mieten. Im Prinzip hat sie ihre Karriere (die sowieso schon hart erkämpft war, als Frau) aber aufgegeben zugunsten der ihres Mannes, der weiter arbeitet. Wie lange kann das gut gehen? Kim Jiyoung wird “merkwürdig”, sie legt immer häufiger seltsamer Verhaltensweisen an den Tag; es wirkt so, als würden für Momente andere Personen in ihren Körper, in ihr Denken und Fühlen schlüpfen. Und das ist in ener so massiv von Ritualen und Verhaltenskodici geprägten Gesellschaft wie der südkoreanischen natürlich extrem auffällig …
Also: Ist das so etwas wie eine postnatale Depression? Eine Verstimmung? Oder steckt doch etwas ganz anderes dahinter? Das ganze Leben, könnte man sagen. Das Leben als Frau – deren Freiheit und Entfaltung so eingeschränkt ist, dass es eigentlich kaum erträglich ist. Und zwar nicht nur später, in der typischen Situation mit Mann und Kind, sondern im Prinzip von eigener Kindheit an. Die Strukturen, die dazu führen, machen enormen Druck – und den verarbeitet Kim Jiyoung eben auf ihre eigene Art und Weise.
“Kim Jiyoung, geboren 1982” ist eine Art soziologischer Roman, die Story beruht auf Fakten und Studien, die auch minutiös protokolliert werden. Das führt dazu, dass die Geschichte hier und da etwas statisch beleibt, dafür ist sie spannend in der Genauigkeit, mit der die gesellschaftlichen Mechanismen auf ein Leben projiziert werden. Das betrifft übrigens letztlich nicht nur Südkorea, sondern hat auch eine universelle Dimension.
Apropos Statik der Geschichte: Tolle Interpretation der Schauspielerin Nele Rosetz, die das auszugleichen weiß über weite Strecken – deshalb empfehle ich in diesem Fall unbedingt auch das Hörbuch.
Roman: Kiepenheuer & Witsch, Euro 18,–
Hörbuch: Argon, Euro 19,95