In ihrem spektakulären Debütroman macht Sybille Ruge dem Zeitalter des Neoliberalismus den Garaus – mit den schärfsten Mitteln der Sprache und mit maximaler Fluidität. Beste Unterhaltung.
Sonja Slanski steht als Ich-Erzählerin im Mittelpunkt der Geschichte. Sie betreibt ein Inkassobüro für besondere Angelegenheiten in Frankfurt, damit verdient sie ihr Geld, ansonsten lebt sie unabhängig von allen gesellschaftlichen Verbindungen. Was ihr einen eigenen Blick auf diese Gesellschaft und ihre Verlogenheiten erlaubt.
Eine Gesellschaft, in der es eigentlich nur um eines geht, das eigene Wohl nämlich. Und natürlich Kapitalakkumulation, das bedingt sich. Die neoliberale Gesellschaft also. Sybille Ruge macht dem Neoliberalismus den Garaus, und sie lebt das über ihre radikal autonome Erzählerin mit sehr viel Wortwitz, trockener Situationskomik und einem bitterbösen Blick auf die schier endlose Absurdität dieses hohlen Strebens aus: Nein, das ist keine kafkaeske Truman-Show, das ist kein Roman – das ist unser Leben.
Ein solcher Wahnsinn, dass man ihm nur auf völlig verrückte Weise auf die Schliche kommen kann, und zwar insbesondere eben mit den Mitteln der Sprache. Sonja Slanski erledigt erstmal ihren Job, das ist schon spannend zu verfolgen; als später eine Tote in ihrem Loft liegt, wird sie zur Ermittlerin. Genauer gesagt: Zur Privatermittlerin. Mit persönlichem Interesse – dass so etwas möglich ist, überrascht sie selbst am allermeisten. Da geht die Distanz dahin …
Sibylle Ruge bedient und variiert die Muster der Detektivgeschichte, und auch diese Genre-Erzählmuster sind so fluide wie das Leben im Neoliberalismus, da spiegelt sich das Thema des Romans auch in seiner Struktur: Maximale Fluidität, radikale Analyse, exzellente Unterhaltung.
Sybille Ruge: Davenport 160 x 90. Suhrkamp, 2022. 264 Seiten, 15 Euro