Neues aus Österreich

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Das haben wir noch nachzuliefern aus dem Jahr 2017 – zwei sehr lesenswerte Romane aus Österreich: “Reibungsverluste” von Mascha Dabić und “Simonhof” von Stefan Soder.

Jeder, der schon mal bei einem Therapeuten war, weiß, wie schwer es sein kann, seelische Prozesse, Gefühle und Befindlichkeiten auf den Punkt zu bringen: Man ringt um Worte und Beschreibungen, um Exaktheit und Klarheit, um dem Anderen das mitzuteilen, worum genau es geht. Wie kann man dem gerecht werden – wenn die Kommunikation auch noch in verschiedenen Sprachen stattfindet, also eine Übersetzung nötig ist? Und wenn es sich um Erlebnisse handelt, die eh extrem schwer zu besprechen sind, Traumatisierungen durch Krieg, Folter, Vergewaltigung? Das ist ein zentrales Thema, um den der Roman “Reibungsverluste” von Mascha Dabić (Edition Atelier, Euro 18) kreist, die aus der Perspektive einer Übersetzerin von der Arbeit in einer Beratungsstelle für Flüchtlinge und Asylbewerber erzählt. Neben den “Fällen”, also den Geschichten der Klienten, geht´s in der sorgsam gearbeiteten Geschichte natürlich auch um die Mitarbeiter des Vereins um Nora herum – und um ihre Strategien, mit der schwierigen Arbeitssituation umzugehen. Spannende Einblicke also, wenn man sich für dieses Thema interessiert; ein dokumentarischer Roman, der wohl auch auf eigenen Erfahrungen fußt – Mascha Dabić, geboren 1981 in Sarajewo, Journalistin und Schriftstellerin, arbeitet selbst als Dolmetscherin, unter anderem in den Gefilden, die sie in ihrem Roman beschreibt.

In den Alpen herrscht heute (für die meisten, zumindest) satter Wohlstand, dank des Tourismus. Welch ein Überlebenskampf das Leben dort vor ein paar Jahrzehnten für viele noch war, macht der Roman “Simonhof” von Stefan Soder (Braumüller Verlag, Euro 20) klar: Soder erzählt die Geschichte eines Hofes hoch oben in den Bergen – entstanden aus einer windschiefen Almhütte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein junger Mann, eben Simon, erwarb, der von seiner Familie weg geschickt wurde, als Knecht, da man nicht alle Kinder auf dem eigenen Hof ernähren konnte. Simon ist allerdings ein Kämpfer, er träumt davon, seinen eigenen Hof zu haben – und er verwirklicht diesen Traum, auch wenn er immer wieder einen hohen Preis dafür zu bezahlen hat. Und so ist der Grundstein gelegt für diesen Simonhof, dessen Existenz immer wieder bedroht ist, der aber doch weiter und weiter bestehen bleiben kann, allen Krisen- und Kriegszeiten zum Trotz. “Simonhof” ist ein extrem packender, ebenfalls dokumentarischer Jahrhundertroman, den man gebannt weg liest. Und staunt dabei: So nahe ist (bzw. war) ein archaischer Überlebenskampf hier, im Zentrum Europas, mitten im Wohlstand.

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