„Fuck you very much“ von Aidan Truhen – ist auf jeden Fall der Krimi mit dem „schönsten“ Cover dieser Tage, keine Frage. Okay, der Typ, der da den Finger reckt, ist offensichtlich was älter als der Held der Geschichte, aber sei´s drum – sehr spannend, diese Einladung: Fuck you very much! Der „Held“, zugleich auch der Erzähler, das ist Jack Price, ein smarter Drogendealer im digitalen Zeitalter, der sich gleich mit einer ganzen Gruppe an fiesen Auftragskillern rumärgern muss, den „Seven Demons“, die als die Besten ihres Faches gelten. Warum? Wird nicht so ganz klar, ist auch unerheblich. Jemand hat Didi umgebracht, die alte Frau, die im Stockwerk unter ihm lebte. Jack konnte sie zwar nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruhte, aber dieser unschöne Umgang mit ihr, das ist nicht hinnehmbar. Er macht sich auf die Suche nach den Tätern – und hat prompt plötzlich die sieben Dämonen am Hals. Was auch nicht hinnehmbar ist. Also: Fuck you very much – das muss aufgeräumt werden!! Und los geht’s mit einer Achterbahnfahrt von Gangsterstory, nach deren Lektüre man erstmal ein paar Stunden braucht, um wieder festen Grund unter den Pobacken zu spüren: Extrem smart erzählt, voller Tempo, mit explosiven Wendungen und einem sehr dunkelschwarzen Blick auf die Realität – ein klasse Knaller, dieses Genrestück 4.0! (Suhrkamp, aus dem Englischen von Sven Koch und Andre Stumpf, Euro 14,95)
Die Muster einer klassischen Detektivstory in die Gegenwart übertragen, um damit aus der heutigen Realität zu erzählen, kann man das machen? Ist auf jeden Fall ein Wagnis, da muss man sich messen lassen an den Größen des Genres – und auch noch der Tatsache gerecht werden, dass die Welt sich weiter gedreht hat seit Chandler und Hammett, dass man irgendeine Idee, einen Dreh mit einbauen sollte, der dem auch gerecht wird, was den wenigsten gelingt. Einer, der es nun wieder mal versucht hat, ist Raphaël Confiant aus Martinique mit dem Roman “Unbescholtene Bürger”, dessen Private Eye eben da ermittelt, auf Martinique, in der Hauptstadt Fort-de-France und drumherum. Raymond Vauban, der sich Jack Teddyson nennt, um authentischer als Detektiv rüberzukommen, wird von der Witwe eines Geschäftsmanns, der tot und entmannt aufgefunden wurde, beauftragt herauszufinden, wie es zu beidem kam, also zum Tod und zur Kastration. Ein Auftrag, der tief hineinführt in die Gegenwart Martiniques – und in eine Geschichte, deren Dimensionen nicht bloß den Ermittler völlig überfordern: Der zunehmend lädierte Raymond, den im Laufe seiner Recherchen diverse Interessenten zum Schweigen bringen wollen, ist im Prinzip derjenige in der Stadt, der am wenigsten kapiert, worum es eigentlich geht, das ist der Witz an dieser Geschichte. Und „Witz“ ist in dem Fall ganz wörtlich zu nehmen: Raphaël Confiant erfindet das Rad zwar nicht neu; natürlich, wie sollte er auch? Aber seine Variation der bekannten Erzählmuster der Detektivgeschichte ist eine schöne, witzige, zwischendurch sogar: sehr lustige Hommage ans Subgenre – und nebenbei auch eine gewitzte „Studie“ zum ewigen, allgegenwärtige Machismo. Wobei man schon zugeben muss, dass Confiant da einen Tanz auf schmalem Grad, um nicht zu sagen: auf Messers Schneide wagt – zwischen der Bedienung diesbezüglicher Klischees und ihrer Persiflage. Aber halt: Tanz! Und zwar: Mit Schmackes. Insofern also: Gewagt – und gewonnen. Ein Roman, nach dessen Lektüre man sich wie nach einer ungeplant durchzechten Nacht voller Wahnsinn fühlt, ohne Kater, eher leicht belämmert, aber mit einem dicken Grinsen im Gesicht. (litradukt, aus dem Französischen von Peter Trier, Euro 13,80)
Noch so ein Klassiker-Motiv, diesmal des Thrillers: Die Frage, wer verrückter ist in einem Zusammenhang des Irreseins, der Psychiater oder der Patient? Und, daran angeschlossen Frage Nr. 2: Wo befinden wir uns gerade: in der „Realität“ oder in einer Wahnvorstellung? Falls Wahnvorstellung: wessen Phantasie ist das, in der wir uns befinden, die des Psychiaters oder die des Patienten? So in etwa sehen die Gemengelagen aus, aus denen der, nun ja, vertrackte Roman „Der blaue Elefant“ des ägyptischen Thrillerstars Ahmed Mourad berichtet – mit der bösen, feinen, kleinen Pointe, dass in diesem Fall eben auch der Patient ein Seelenklemptner ist: Psychiater Jachja, nach dem Unfalltod von Frau und Tochter traumatisiert, kehrt nach langer Zeit in die Klinik zurück, wird in der Forensik eingesetzt – wo er in einer Gruppenunterkunft unter den Patienten Psychiater Scharif entdeckt, der für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht wird, die aus einem Hochhausfenster gefallen ist. Oder? Wer weiß das schon… Eine Konstellation jedenfalls, die es derart in sich hat, dass man sich fragen kann, welche Drogen der Verfasser genommen hat, als er sich das ausdachte – und genau das ist irgendwie auch die (dem Roman den Titel gebende) Frage: Welche Drogen führen in einen solchen Wahn – oder nicht? “Blauer Elefant” ist ein Vexierspiel zwischen Wahn und Realität, inszeniert als Thriller, doppelt doppelbödig sozusagen, interessant für Menschen, die sich für so etwas interessieren, empfehlenswert inbesondere für resiliente LeserInnen, die sich mental einigermaßen unerschütterlich fühlen. (Lenos Verlag, aus dem Arabischen von Christine Battermann, Euro 22)