Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen
Die meisten Hardcover-Bestseller sind Erfolge, die zu erwarten waren, um so schöner, wenn mal einer überrascht – so wie der Roman „Die Geschichte der Bienen“ (btb, Euro 20) von Maja Lunde.
Diese Geschichte, also die der Bienen, erzählt die Norwegerin auf drei Ebenen und auf drei zeitlichen Ebenen: Erstens geht’s um einen depressiven Biologen namens William, der sich durch die Erfindung eines hochmodernen Bienenstocks im Jahr 1853 am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht; zweitens um einen Imker, George, dem 2007 in Ohio unvermittelt fast alle Bienen abhanden kommen, sie sterben oder verschwinden einfach; drittens wird von Tao erzählt, die im China des Jahres 2098, nach dem großen Kollags wegen des Verschwindens der Bienen als Bestäuberin arbeitet, ein Knochenjob in einer nicht allzu gemütlichen Welt.
Maja Lunde, geboren 1975, ist in Norwegen eine bekannte Autorin für Kinder- und Jugendliteratur – „Die Geschichte der Bienen“ ist ihr Debüt als Autorin im Erwachsenenbereich. Das mysteriöse Phänomen des Colony Collaps Disorder, also eben des Verschwindens der Bienen, packt sie in eine gut erzählte, nicht zu simple, aber auch nicht zu komplexe Geschichte mit interessanten Charakteren. Und zwischen den zeitlichen Ebenen, klar, gibt es auch jenseits der schlichten thematischen Übereinstimmung der Geschichte der Bienen gewitzt konstruierte Verbindungen.
Ein Öko-Roman, wenn man so will, geschrieben für Erwachsene mit den Mitteln der Jugendliteratur – da ist schon mal ein Überraschungsbestsellererfolg drin, der so überraschend letztlich gar nicht ist. Jedenfalls: Gute Unterhaltung – mit Mehrwert.
Gil Ribeiro: Lost in Fuseta
Spannend, Gil Ribeiro, eine Entdeckung mit seinem Roman „Lost in Fuseta“ (KiWi, Euro 14,99), ein toller Nachwuchsautor aus Portugal, schlägt ein wie eine Bombe, der Mann, den sie dort bloß „den Deutschen“ nennen, seines blassen Teints wegen…
Ja, klar, schön wär´s, ein neu zu entdeckender Kriminalschriftsteller aus Portugal; aber ne, stimmt nicht, ist bloß rum gesponnen – denn Gil Ribeiro ist ein Pseudonym, das von Holger Karsten Schmidt. Der hat zwar auch schon einen (sehr guten) Kriminalroman veröffentlicht, kürzlich, und vor Jahren eine Thriller, ist aber vor allem als Drehbuchautor bekannt, einer der interessantesten (und besten), die wir hierzulande in Sachen Spannung derzeit haben.
Jetzt also dieser Roman „Lost in Fuseta“, von Gil Ribeiro, erfolgreich in den Top Ten der Paperback-Charts, ein Bestseller. Schlimm. Also, nicht der Roman, sondern der Trend, in dessen Rahmen er erfolgreich ist: Die unsägliche Pest der Touristenkrimis, mit der die geldgierigen Publikumsverlage den Markt infiziert haben: in der Regel sind das mehr schlecht als Recht auf „Krimi“ getrimmte Lobpreisungen von Land und Leuten in irgendwelchen Urlaubsgebieten, es geht viel um Landschaften und vor allem ums Essen, ein Klischee nach dem anderen wird reproduziert, und wichtig ist, dass es immer schön gemütlich und harmlos bleibt. Fake-Crime, wenn man so will; ein Genre-Musikantenstadl. Eine Pest ist das auch deshalb, weil es wirklich ein RIESIGER Trend ist – der in Verlagsprogrammen und Buchhandlungen leider den Platz verstopft, den man für wirklich interessante Romane verwenden könnte, Newcomer aus Portugal zum Beispiel.
Und „Lost in Fuseta“? Ist leider geil. Trotzdem. Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, damit rette ich mich jetzt hier mal aus der Patsche. Klar, auch mit dieser Geschichte werden alle Touristenkrimi-Klischees bedient, die es anscheinend braucht. Und der Krimi-Plot ist ganz ordentlich, mehr aber auch nicht, man darf ja die Lese-Reisenden, die so was kaufen sollen, nicht überfordern. Egal, denn dieser bleiche Germanoportugiese, dieser Gil Ribeiro, kann auf eine richtig gute Weise unterhaltsam schreiben. Und seine Figuren samt ihres Miteinanders gehen einem irgendwie zu Herzen. Sehr sogar. Speziell dieser Kommissar namens Lost, der nicht bloß Autist ist, sondern auch noch Deutscher, aus Sicht der Portugiesen also doppelt bekloppt. Klar, daraus (aber nicht nur) erwächst jede Menge Situationskomik; hinzu kommt allerdings ein sprühender Dialogwitz, der seinesgleichen sucht. Bringt einen zum Lächeln, hier und da sogar zum Lachen. Und zwar: laut. Toll! Insofern: Grmpf, trotzdem: Empfehlung.
Aber bitte, geschätzte Verlagsstrategen, lassen Sie den Mann doch lieber richtige Kriminalromane schreiben; zwingen Sie ihn notfalls, wenn er nicht spurt; da haben wir alle mehr von, ich bin sicher, er kann das, wie kaum ein anderer hierzulande.