Das Privileg des Kulturjournalisten, Teil 2: Auch “Verbrenn alle meine Briefe” von Alex Schulmann, seinen zweiten Roman auf Deutsch nach “Die Überlebenden”, konnte ich vorab lesen. Kein Wort also zum Inhalt hier und jetzt. Dauert aber nicht mehr lang – am kommenden Mittwoch (21. September) erscheint das Buch, dann mehr … (Nur so viel einstweilen: Toll, wird eine dicke Leseempfehlung werden …)
Und jetzt (21.9.) noch ein paar Sätze zum Roman:
“Ich weiß nicht, wie oft ich das noch ertragen kann.” Ein Satz, der das Leben von Alex Schulman verändern wird. Der erste Satz seines neuen Romans “Verbrenn all meine Briefe”. Seine Frau spricht das aus. Nach einem Streit, in dessen Verlauf Schulman ein wenig wütend geworden ist. Zu wütend? Er spürt, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Hinterfragt sich. Stellt geschockt fest, dass seine (meist unterdrückte) Wut so einen Einfluss im Alltagsleben der Familie haben, dass sogar die Kinder unbewusst alles tun, um den Vater bloß nicht zu stressen. Die Wut hat sich subkutan ins ganze Leben geschlichten. Nur: Was ist das für eine Wut? Wo kommt sie her?
Alex Schulman, der schon viele Therapien gemacht hat, ohne dass es ein greifbares Ergebnis gegeben hätte, entscheidet sich – in seinem “Roman” – für eine Familienaufstellung. Und da visualisiert sich auf den ersten Blick eine Indizienkette: Auf Seiten des Vaters gibt es stabile und klare Beziehungen. Mütterlicherseits dagegen: Ein einziges Chaos, Streit, Zerwürfnisse. Woher also stammt das? Schulman macht sich auf die Suche. Was er da zu Tage fördert, ist nicht nur spannend, sondern auch berührend – und im Prinzip ein “öffentliches” Thema: Eine Dreiecksbeziehung und eine tragische Liebesgeschichte, zwei berühmte schwedische Schriftsteller sind beteiligt – und Alex Schulmans Großmutter. Und ohne es zu wissen, auch das ein Ergebnis der Recherche, spielte Alex Schulman selbst als kleiner Junge bei dieser Geschichte eine gewisse (Neben-) Rolle …
Memoir oder Roman? “Verbrenn all meine Briefe” kombiniert diese beiden Formen sehr elegant und kunstvoll. Aus der “eigenen” Erfahrung von Alex Schulman wird eine “allgemeine” Geschichte – die vor allem von toxischer Männlichkeit erzählt und davon, wie sich die Folgen davon auch über Generationen verfestigen können, so dass sie die Leben von denen prägen, die nicht die geringste Ahnung haben (können), was da im Tiefengrund der, sagen wir, familiären Psyche wirkt. Dazu braucht es einen, der innehält, der hinterfragt, der sich nicht beirren lässt – und der dann davon erzählt. So ist möglicherweise so etwas wie ein Happy End möglich. Eine neue Prägung für die jeztigen und die folgenden Generationen. “So beginnt die Geschichte”, schreibt Alex Schulman; das ist dann der letzte Satz seines Buches.