Sie ist eine der interessantesten jüngeren SchriftstellerInnen der aktuellen deutschsprachigen Literatur: Karosh Taha, geboren 1987 in Zaxo, Nordirak, aufgewachsen ebenda und im Ruhrgebiet. Zwei Romane hat sie bislang veröffentlicht: “Beschreibung einer Krabbenwanderung” (2018) und “Im Bauch der Königin” (2020). HIER geht´s zur “Krabbenwanderung”, der sechsteiligen aktuellen WDR-Hörspielversion ihres Debütromans, eine Kooperation von Cosmo und WDR 3. Gleich folgend nochmal die beiden Texte, die ich zum Erscheinen der Romane hier auf dem Blog veröffentlicht hatte:
„Beschreibung einer Krabbenwanderung“ (Dumont, Euro 22), das Debüt von Karosh Taha, die im Ruhrgebiet als Lehrerin arbeitet, steht dem in nichts nach: Die Geschichte von Sanaa, 22, Studentin, ebenfalls im Ruhrgebiet, älteste Tochter einer kurdischen Familie, die, im Ruhrgebiet natürlich, in einer Platte lebt, in die es viele kurdische Exilianten verschlagen hat. Eine Art urbane Dorfgemeinschaft, mit allen Vor- und vor allem: Nachteilen. Dann zumindest, wenn „man“ eine junge Frau mit, na ja, selbstbestimmtem Liebesleben ist. Sanaa lebt, wie sie will, ein bisschen zumindest, heimlich, da lässt sie es krachen; zugleich hat sie ständig mit Traditionen und Erwartungen zu kämpfen, auch in sich selbst. Und mit einem depressiven Elternpaar, das irgendwie wieder in die Spur gebracht werden muss – und so weiter und so fort… Eine intensive und schlau komponierte Geschichte, sehr packend zu lesen – eine Geschichte auch, der man in jeder Zeile anmerkt, dass sie nicht nur ausgedacht ist, sondern jede Menge eigenes Erleben enthält: Karosh Taha kam 1987 im Irak zur Welt, migrierte in den 90ern nach Deutschland. „Beschreibung einer Krannbenwanderung“ ist zugleich auch ein Roman, der kenntnisreich und tief hineinführt in einen Teil der Gesellschaft, über den zwar viel diskutiert wird, Stichwort Integration, von dem aber die wenigsten sonderlich viel wissen. Auch insofern: Absolut lesenswert! (August 2018)
In ihrem Roman „Im Bauch der Königin“ (Dumont, Euro 22) erzählt Karosh Taha ein und dieselbe Geschichte zwei Mal, aus unterschiedlicher Perspektive, deshalb auch mit verschiedenem Verlauf. Der Witz daran (unter anderem, natürlich): Im – toll gemachten – Buch in analoger Form sieht das so aus, dass man es von vorn oder von hinten lesen kann, bis auf die Art der Einklebung des Lesebändchens existiert im Prinzip keine Priorisierung – das Buch hat sozusagen weder eine Vorder- noch eine Rückeite, dafür aber beides doppelt. Die Pointe dieser Gestaltung erschließt sich natürlich in der elektronischen Variante nur bedingt, weshalb ich empfehle, bis Ende Mai zu warten, dann kommt nämlich das „richtige“ Buch raus, das E-Book erschien wie eigentlich insgesamt geplant schon am 7. April. Lesen sollte es auf jeden Fall jeder – denn es ist ein großartiges Buch. Wobei „ein und dieselbe Geschichte“ eigentlich schon zu viel gesagt ist: Karosh Taha erzählt nicht wirklich eine Story, sie taucht ein in ein Milieu, das eines Viertels mit sehr viel „Migrationshintergrund“, irgendwo im Ruhrgebiet, mit Schwerpunkt bei kurdisch-irakischen Wurzeln – und aus diesem Eintauchen mit Blick auf Coming of Age-Prozesse entstehen dann ganz viele Geschichten, und zwar eben: mal so, mal so, doppelt gemoppelt. Faszinierend ist die Art und Weise, wie Karosh Taha das alles und das Drumherum ihrer jungen HeldInnen (also: die Gesellschaft) erfasst und erzählt: Mit Sprachfertigkeit und Sprachwitz, mit Gespür für Charaktere und charakterliche Prozesse, mit einer Leichtigkeit, die jederzeit um (Un-)Tiefen weiß, sowieso mit Herz und Verstand. Das ist alles in allem – ziemlich genial. Karosh Taha kam 1987 in Zaxo/Irak zur Welt, ab 1997 wuchs sie im Ruhrgebiet auf, heute lebt sie in Essen. Ein großes Talent. (April 2020)