Candice Fox: Crimson Lake (Suhrkamp, Euro 15,95)
Das ist doch mal ein Ermittlerteam: Ted Conkaffey, Exbulle, wird, egal wo er hinkommt, von der Öffentlichkeit gejagt, weil er (zu Unrecht) wegen Vergewaltigung einer 13jährigen angeklagt und bloß wegen eines Mangels an Beweisen freigesprochen wurde. Er ist so etwas wie der verhassteste Mensch Australiens. Und Amanda Pharrell, Privatermittlerin in einem Kaff namens Crimson Lake, wild tätowiert, bunt gekleidet, eine Art Punk – sie war schon wegen Mordes im Gefängnis, als Jugendliche soll sie eine Freundin erstochen haben, sie selbst kann sich an nichts erinnern.
Zwei ganz spezielle Stigmatisierte, die nichts mehr zu verlieren haben, die Detektive Ihres Vertrauens! Ted kommt nach Crimson Lake, weil er glaubt, wenigstens dort, am Ende der Welt, seine Ruhe haben zu können, was ein Irrtum ist; Sean, sein Anwalt, der einzige, der von Teds Unschuld überzeugt ist, bringt ihn mit Amanda zusammen. Gemeinsam ermitteln die beiden nun den Fall eines verschwundenen radikal-religiösen Unterhaltungsschriftstellers, von dessen Existenz lediglich noch sein Ring zeugt, der im Magen eines der vielen Krokodile der Gegend gefunden wurde. Ob er Mann noch lebt, ist seinen Angehörigen letztlich egal – es geht darum, wie er gestorben ist, wegen der Versicherung. Er sollte, wenn irgend möglich, keinen Selbstmord begangen haben…
Wenn diesen merdwürdigen Fall überhaupt jemand klären kann, dann Typen wie Amanda und Ted, das ist klar, und nebenbei ermitteln die beiden natürlich noch die blinden Flecken in der dunklen Geschichte des jeweils anderen, das ist die Rahmenhandlung; “Crimson Lake” hat auch eine horizontale Erzählebene, das Ganze ist als Reihe angelegt, weitere Fälle werden folgen.
Was ein Glück ist, denn die junge Australierin Candice Fox beweist nach ihrer “Hades” Trilogie auch mit “Crimson Lake”, dass sie über ein Ausnahmetalent in Sachen Spannung verfügt: Wie sie altbekannte Topoi der Kriminalliteratur frisch aufbereitet, das ist schon sehr originell und einzigartig. Abgesehen davon: Eine klasse Erzählerin – mit Witz, Schmackes und großem Geschick. Was will man mehr?
Oliver Bottini: Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens (Dumont, Euro 22)
Preisfrage: Das Thema Landwirtschaft in Form moderner Agrarindustrie – kann man daraus einen guten, packenden, richtig zeitgemäßen Krimi machen? Also, einen „richtigen“ Kriminalroman, nicht so Dödelzeugs, wie man es von den unseligen Comedy-Crime-Geschichten her kennt? Scheint erstmal eine schwierige Aufgabenstellung – aber man kann, das belegt die Lektüre des wirklich großartigen Romans „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“. Also: Oliver Bottini kann das.
Im Westen Rumäniens, nahe Temeswar, weit weg von allem letztlich, hat sich der Deutsche Marthen den Traum verwirklicht, als Großbauer zu reüssieren. Marthen ist auf einer LPG in der DDR groß geworden, die nach der Wende abgewickelt wurde, er hatte damals keine Chance, die elterlichen Parzellen der Gemeinschaftslandwirtschaft zu übernehmen – also verwirklicht er sich jetzt in Rumänien. Mehr schlecht als recht übrigens, das Geschäft ist schwierig, die Konkurrenz groß, denn internationale Konzerne kaufen das Land auf, sie agieren mit allen Mitteln.
Eines Morgens, so fängt der Roman an, wird Marthens Tochter, die wie an fast jedem Sommertag in einem Fluss nahe des Betriebs zum Schwimmen geht, vergewaltigt und ermordet. Verdächtigt wird ein Junge aus der Gegend, die Indizien, die gegen ihn sprechen, sind eindeutig. Wir Leser allerdings wissen mehr; wir wissen, dass ein Mann einem anderen den Auftrag gegeben hat, dem Mädchen – und damit auch dem Vater – ein bisschen Angst zu machen. Nur ein bisschen Angst, mehr nicht – aber die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Nun ist der – traumatisierte – Junge auf der Flucht; Marthens Vorarbeiter Winter, ein rumänischer Polizist mit dunkler Vergangenheit und auch der Killer samt seines Anrufers sind ihm auf der Spur. Diese Spur führt weg aus der Gegend rund um Temswar, nach Deutschland, nach Prenzlin – dorthin, wo Marthens und Winter herkommen. Und da gibt’s noch andere Interessierte, die den Jungen und seine Jäger schon erwarten…
Also, das Thema Landwirtschaft und Agrarindustrie: Was in Rumänien passiert, was ähnlich bald auch in der Ukraine geschehen könnte, kennt man hierzulande von Prozessen, die sich nach der Wende in der ehemaligen DDR ereignet haben: Große Konzerne bewirtschaften große Flächen, mit allen Mitteln, einige wenige werden reich, teils unter kriminellen Umständen – die kleinen Leute gucken in die Röhre, die Landschaften und die Dörfer veröden, und zwar in jeder Hinsicht. Dafür stimmen die Profite der Investoren; wenn alles klappt, zumindest, wenn es genügend große, zusammenhängende Landflächen gibt, die man eben industriell effektiv bewirtschaften kann.
Wie Oliver Bottini diese Gemengelage mit literarischen Mitteln dicht recherchiert zu einer packenden, zugleich auch einfühlsamen, zuletzt aber doch angemessen nüchternen Geschichte werden lässt, die alle möglichen Facetten menschlicher Abgründe durchmisst und zugleich verschiedenste Ebenen der europäischen Zeitgeschichte ausleuchtet – das ist nicht weniger als: Exzellent.