Neu aus Berlin

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Neu aus Berlin

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Drei neue Romane von Berliner SchriftstellerInnen, die sich – mehr oder minder stark autobiographisch unterfüttert – letztlich mit Identitätsfragen beschäftigen: Mirna Funk lässt in ihrem zweiten Roman “Zwischen Du und Ich” (dtv, Euro 22,–) eine junge Berliner Jüdin nach Israel reisen, wo sie im Rahmen einer zunehmend toxischen Liebesbezieung eine Ahnung davon bekommt, wie sehr intergenerational übertragene (Holocaust-)Traumata auch heute noch das Leben prägen können. Zugleich findet sie Tritt dadurch, dass sie ein großes Geheimnis der eigenen Familiengeschichte für sich klärt. Eine so krasse wie prototypische “deutsche” Geschichte – und zugleich auch eine sehr erhellende, nicht nur für die Protagonistin. Plus: Sehr viel sehr quirliges Leben in Tel Aviv. * “Das achte Kind” (Hanser Blau, Euro 22,–) ist der Debütroman des Journalisten Alem Grabovac, der von seinem Großwerden in zwei komplett unterschiedlichen Parallelwelten erzählt: Er wuchs teils in einer deutschen Pflegefamilie mit sieben eigenen Kindern auf, eben als das achte Kind – und teils bei seiner leiblichen Mutter, einer “Gastarbeiterin” aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ein Spannungsverhältnis mit vielen Facetten und so einigen Abgründen. Auch wieder eine prototypische Geschichte, für die BRD der 70er bis 90er Jahre; und hervorragend, weil sehr smart und gekonnt reduziert erzählt, das Ganze. Alem Grabovac wird übrigens am 5.4. zwischen 20 und 24 Uhr in unser “Cosmo liest”-Sondersendung an Ostern eine Stunde lang zu Gast sein und uns persönlich mit in die, in seine Geschichte begleiten. Dabei wird er auch verraten – apropos: Abgrund – warum er als Kind so gern Panzer in Poesiealben gemalt hat. * Dmitrij Kapitelmann kam mit acht Jahren im Schlepptau seiner Eltern als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland, er ist Deutscher durch und durch, spricht sogar exzellent Sächsisch, die deutsche Staatsbürgerschaft hat ihn nie groß interessant. Das änderte sich mit Mitte 30 – und wozu das führte, davon erzählt er unterhaltsam und sprachmächtig in “Eine Formalie in Kiew” (Hanser Berlin, Euro 20,–): Kapitelmann muss eine Bescheinigung, die unabdingbar ist für die Staatsbürgerschaft, in Kiew einholen, das führt ihn einerseits in die (insbesondere für einen “Fremden” ziemlich chaotische) ukrainische Gegenwart wie auch in die familiäre Vergangenheit. Hinzu kommen die, sagen wir, kleinen Eigenheiten der Eltern, die diese Sequenz im Leben des Autors, recht speziell würzen. Eine kleine Formalie also – die Großes auslöst, zumal bald auch noch sein leicht alzheimernder Vater nachreist. Die deutsche Staatsbürgerschaft? Kein Problem für Menschen wie diesen Erzähler, ist doch klar geregelt: Eine Groteske.

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