Neue Hörbücher: Von und mit Juli Zeh, Bernhard Aichner, Christian Brückner

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Neue Hörbücher: Von und mit Juli Zeh, Bernhard Aichner, Christian Brückner

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Juli Zeh: Neujahr

Manchmal muss man ja raus. Aus Deutschland, zum Beispiel. Also ab nach Lanzarote, über Neujahr. Dort haben Henning und Theresa, beide um die 40, mit den Kindern ein kleines Ferienhaus gemietet. Und auch da muss man mal raus, Henning zumindest, am Neujahrsmorgen; also schnappt er sich das Leihfahrrad und macht sich auf nach Fermés, ein kleines Gebirgsdorf. Henning tritt und tritt und tritt – und kommt irgendwann ohne weitere Kräfte mit Mühe oben an.
Schlecht ausgerüstet ist er auch, kein Wasser mehr, keine Verpflegung. Das Dorf – scheint verlassen. Henning sieht nur eine Chance, er muss noch höher, da soll eine Künstlerin ihr Atelier haben, sie ist garantiert da. Ist sie auch – was der Radler auf dem Weg zu ihrem Haus und auch dort erlebt, das erschüttert ihn allerdings zutiefst: Déjà Vus, verdrängte Erinnerungen, merkwürdige Ahnungen – Henning war hier schon einmal. Die Frage ist nur: Wann – und warum? Und was ist damals passiert?
„Neujahr“ ist ein Familienroman, und zwar im doppelten Sinne; Juli Zeh erzählt von frühkindlichen Traumatisierungen und Bindungsstörungen, von der Wirkung des Damals auf das Jetzt, von der Frage, ob und wie man so etwas realisieren und bewältigen kann. Fein konstruiert; spannend auch deshalb, weil sie, ansatzweise zumindest, mit den Mitteln des Psychothrillers arbeitet; ein Lektüre- und Hör-Tipp (nicht nur) für die Zeit zwischen den Jahren. (Roman: Luchterhand, Euro 20 – Hörbuch: der Hörverlag, Euro 14,95)

Bernhard Aichner: Bösland

Apropos Thriller: Da kommt man natürlich um den österreichischen Schriftsteller Bernhard Aichner nicht herum. Dann zumindest, wenn man in Sachen Thrill auf maxiamle Hochgeschwindigkeit mit atemberaubenden Wendungen besteht. Sensationell, wirklich, wie dieser Mann seine Geschichten plottet und arrangiert. Wie auch in seinem neuen (Hör-) Buch „Bösland“ – einem so abgrundtief finster fundierten Roman, dass man sich schon wundert, wie der Autor es schaffte, DAS zu einem Happy End zu bringen, ohne dabei aus der Kurve zu fliegen. Vielleicht zumindest.
Die Story: Zwei Jungs, ein Mädel, auf dem Land, in den 80er Jahren. Etwas geschieht, einer der Jungs erschlägt das Mädchen. Er kommt in die Psychiatrie, später lebt er einsam im tiefsten Schatten – bis er mit Hilfe einer Therapeutin herausfindet, dass damals möglicherweise alles ganz anders war, als er glaubt. Glaubte. Oder doch nicht? Dreißig Jahre später sucht er also seinen Freund von damals, findet ihn, konfrontiert diesen Mann, der mittlerweile ein Pharmaunternehmen mit 8000 Mitarbeitern leitet – und damit beginnt die Geschichte eigentlich erst so richtig, ein Katz und Maus-Spiel, das bloß einen Überlebenden haben kann, möglicherweise.
Wie gesagt: Mit voller Pulle durch die tiefsten Abgründe – „Bösland“ bietet Thrill, Spannung und Dramatik höchstkonzentriert. Das ist, wenn man so will, reiner Plot, bloßes Tempo, eine einzige Zielgerade. Dabei handelt es sich, eigentlich, fast um ein Kammerspiel, erstaunlich. Auch deshalb, weil Teile des Romans in Thailand angesiedelt sind. Wie auch immer: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker … (Roman: btb Verlag, Euro 20 – Hörbuch: der Hörverlag, Euro 16,95)

Christian Brückner – “Da Capo” zum Geburtstag

Christian Brückner? Die deutsche Stimme von Robert de Niro. Und Harvey Keitel. Und natürlich: DER Hörbuch-Sprecher schlechthin in diesen Landen. Heute wird er 75, herzlichen Glückwunsch! Zum Geburtstag gibt’s eine Edition namens „Da Capo“ – fünf seiner Lieblingshörbücher, die er selbst ausgewählt hat: „Schande“ von J.M. Coetzee, „Die Blumen des Bösen“ von Charles Baudelaire, „Wo ist das Weltall zu Ende?“ von Hubert Reeves, „Bartleby“ von Herman Melville und „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ von Walter Benjamin sind drin. 20 Stunden Brückner, reicht auf jeden Fall für den halben Winter – und natürlich für eine Verbeugung: Der Erfolg des Hörbuchs in den letzten 15, 20 Jahren ist nicht ganz unwesentlich sicher insbesondere auch ihm und seiner Stimme zu danken. (Hörbuchbox: Parlando, Euro 36,95)

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