Ziemlich spannend: Viele Kriminalromane drehen sich im Moment um Ökothemen als Verbrechen, auf die eine oder andere Weise. Häufig geht’s um Fracking. Ein Trend.
Ein Thema allerdings auch, das so neu gar nicht ist, wenn man genauer hinschaut: So genannte „Öko-Thriller“ gibt es vereinzelt bereits seit den 1980er Jahren, insbesondere von dem US-amerikanischen Journalisten und Schriftsteller Carl Hiaasen, der immer wieder auch die Ökofrage in seine gesellschaftskritischen Geschichten integrierte.
Zuletzt erschienen allerdings so viele Spannungsromane, in denen Umweltfragen verhandelt werden, dass man von einem Trend sprechen kann. Auffallend häufig sind dabei die Folgen des Frackings ein Thema – diese besonders umstrittene Art der Energiegewinnung bietet sich wegen ihrer dezentralen Fördereinheiten gut an, das Ganze in gesellschaftliche Mikrokosmen herunter zu brechen – und damit auch auf gut erzählbare Krimiebenen.
Auffällig ist, dass (radikale) Umweltaktivisten zunehmend als „Helden“ inszeniert werden, die allerdings häufig für ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen müssen. So gut wie immer wird der Grundkonflikt Ökonomie/Ökologie thematisiert: Um die über allem stehenden Profite und Umsätze realisieren zu können, gehen Unternehmen notfalls auch über Leichen.
Letztlich stellen die „Öko-Thriller“ also auf unterschiedliche Weise zugespitzt (um Mord und Totschlag) die Systemfrage: Wie umgehen mit den Akteuren des Kapitalismus, die sich nicht für die moralischen Implikationen ihres Handels interessieren? Interessant dabei ist, dass eine deutlich wirtschafts-kritische Sichtweise auf die Problematik damit auch im (Krimi-) Mainstream angekommen ist.
Steffen Jacobsen: „Lüge“
Ein Beispiel wäre der Roman „Lüge“ von Steffen Jacobsen (Heyne, Euro 16,99). Ein dänischer Thriller, und zwar einer von der Sorte, die das Thema fett und plakativ angehen. Ein Konzern, Nobel Oil, möchte Erdgasvorkommen in Grönland ausbeuten, in Kooperation mit der Regierung, finanziert von den Chinesen. Der Chefgeologe entdeckt im Gestein allerdings etwas, was die Produktion wegen immenser ökologischer Folgen unmöglich machen würde. Das darf nicht sein. Der Mann muss sterben. Und mit ihm einige andere, radikale Umweltschützer nämlich, die Wind von den Problemen bekommen haben. Die Frage ist, ob´s irgendwie irgendjemand ans Licht bringen kann, um die Produktion zu vermeiden.
„Lüge“ setzt eher auf „Klotzen statt Kleckern“, wenig nachhaltig, wenn man so will. Und wenn´s darum geht, Umweltschützer zu meucheln, lässt der Autor, der im Hauptberuf Chirurg ist, doch ziemlich die Sau raus, ein einziges Gemetzel. Trotzdem – interessante Geschichte, wegen der großen Linien, die er in punkto Energieversorgung zieht, und zwar thrillertauglich.
Tom Bouman: Auf der Jagd
Tom Boumans Debütroman „Auf der Jagd“ (Ars Vivendi, Euro 20) ist eigentlich ein klassischer Country Noir; ein Ermittlerkrimi, der in den USA auf dem Land angesiedelt ist, zwischen jeder Menge runter gekommener, vom Leben geprägter Typen, allen voran der Ermittler selbst, hier in Pennslyvania. Henry Farrell heißt der Polizist, der dort irgendwo im Nirgendwo einen Mord an einem jungen Mann aufklären muss – der möglicherweise für das Unternehmen gearbeitet hat, das in der Gegend mit Fracking-Anlagen die Erde umpflügt.
Da ist der erste Hinweis auf den Öko-Touch in diesem Roman – der zweite ist in Farrells Figurenbiographie integriert: Der einsame Polizist hat seine Frau an den Krebs verloren, und das hat möglicherweise mit den Folgen des Frackings zu tun – das wird eher nur angedeutet, zieht sich aber en passent durch die Handlung, auf Ebene seiner inneren Reminiszenzen. Das Grundthema ist also die Frage, welche Folgen das umstrittene Fracking im Alltag hat – auch wenn „der Krimi“ letztlich in eine ganz andere Richtung läuft. Ein starker, sorgsam gearbeiteter, atmosphärisch dichter Roman.
Antonin Varenne: Die Treibjagd
Eine Entdeckung ist in der Hinsicht auch der neue Roman „Die Treibjagd“ (Penguin, Euro 10), der zweite des französischen Autors Antonin Varenne, der ins Deutsche übersetzt wurde. Varenne erzählt von einem Örtchen im südfranzösischen Zentralmassiv, wo er selbst auch lebt; zwei Familien teilen sich seit Jahrzehnten miteinander ringend die Macht im Städtchen, eine dritte ist dabei unter die Räder gekommen. Eine Gemengelage, die auf verschiedensten Ebenen jederzeit eine Rolle spielt im Kleinstadt- und Landleben drumherum – insbesondere dann natürlich, wenn es Tote gibt. Und wenn einer der radikalen Umweltschützer, die für´s Naturschutzgebiet und gegen den industriellen Holzabbau protestieren, verschwunden ist…
Antonin Varenne inszeniert seine hervorragend umgesetzte Geschichte mit den Mitteln des Noirs ebenso wie mit Westernelementen, eine interessante Kombination; auch hier spielen die „Ökothemen“ eher beiläufig, zugleich aber doch ganz zentral eine entscheidende Rolle: Kriminalität, die mit Umweltschutz zu tun hat, ist nicht mehr bloß ein Kavaliersdelikt das „unter ferner liefen“ nebenbei eine Rolle spielt – sondern ein entscheidender Aspekt des Erzählens von den Welten des Verbrechens.