Sechs. Und. Zwanzig. – Die Krimis des Jahres

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Sechs. Und. Zwanzig. – Die Krimis des Jahres

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Schlechte Zeiten, gute Bücher – der alte Allgemeinplatz scheint sich für 2017 geradezu aufzudrängen. Dann zumindest, wenn man unter guten Büchern solche versteht, die sich auf zeitgemäße Weise politisch mit dem Zeitgeschehen auseinander setzen. Wobei natürlich erstmal diskutiert werden müsste, was genau „schlechte“ Zeiten und „gute“ Bücher ausmacht, und was „politisch“ bedeutet, aber na ja. Jedenfalls: Kann man 2017 eindeutig eine Politisierung der Literatur in verschiedensten Nuancen und Facetten ausmachen, und das zieht sich durch alle Ebenen, bis hinein in die Unterhaltungsliteratur.

In Sachen Genre, Kategorie „National“, gab´s zum Beispiel einige ausgesprochen lesenswerte Romane, die sich mit den politischen Verhältnissen beschäftigen. Habe ziemlich lange gegrübelt, welchen ich nennen würde, wenn´s um „den einen“ ginge – und mich letztlich sehr knapp zugunsten von Zoe Beck´s Gangsterroman 4.0 „Die Lieferantin“ gegen Oliver Bottinis Kapitalismuskritik „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ entschieden, weil ich bei ihr eine Nuance mehr, sagen wir, Ur-Genre in zeitgenössischer Variation entdecke als bei ihm. Andreas Pflüger mit „Niemals“ landet dann auch nur knapp dahinter auf Rang 3 – ein exzellenter Thriller, den ich vor allem auch deshalb schätze, weil er zwischen all den gesellschaftspolitischen Geschichten, die den Teufel (zurecht) an die Wand malen, belegt, dass man auch in vermeintlich schlechten Zeiten mit einer guten Story einfach nur seinen Spaß haben kann, ohne deshalb eskapistisch zu sein, das lässt einen doch zwischendurch mal durchatmen.

Aus demselben Grund würde ich übrigens in der Kategorie „International“ für 2017 Candice Fox mit „Crimson Lake“ (oder auch „Fall“) auf´s Treppchen hieven – in einem Genre, das zu überaltern und zu erstarren und zu verfetten droht, setzt sie allein auf weiter Flur die richtigen Akzente, indem sie das Rad zwar nicht neu erfindet, aber doch so gewitzt ans Limit kurbelt, dass man für einen Moment trotz allem die Hoffnung auf eine goldene Zukunft dieses Genres nicht zu verlieren geneigt sein könnte. Oder so. Jedenfalls – Rang 3 bei den Internationalen. Ganz oben rangiert für mich in diesem Jahr Gary Victor mit „Suff und Sühne“; wie er Politik und Zeitgeschichte (Haitis) fiktionalisiert, das ist immer wieder beeindruckend – wohl auch deswegen, weil er seine Geschichten mit bestechendem Fingerspitzengefühl hinreichend irre (irrational) sein lässt, das aber auch eine durchaus „realistische“ Weise, auch das unterscheidet ihn von vielen anderen, der Mut zum Wahnsinn, davon braucht es viel mehr, klare Sache. Rang 2 wäre, das der Vollständigkeit halber, in meiner ganz persönlichen Auswahl für Jerome Leroy mit dem Roman „Der Block“ vorgesehen, in dem er, übrigens ebenfalls völlig „irre“, schon von der Grundidee her, ins Herz des (französischen) Rechtspopulismus schaut.

Noch Fragen? Ach ja, diese Kategorien, „National“ und „International“, mit jeweils drei Titeln, das sind die Vorgaben für die Nominierungen beim Deutschen Krimi Preis. Gerade abgeschickt. Und dabei so manchen Titel, auch Herzensangelegenheiten, knicken müssen. Ich find´s ja auch beknackt, dass man sich dort so beschränken und, grmpf, entscheiden, entscheiden, entscheiden muss. Aber so ist das, in guten wie in schlechten Zeiten, seit über 30 Jahren, was willst Du machen?

Der Beitrag erschien auch im tollen Mega-Mammut-Jahresrückblick des Culturmag, mit dessen Lektüre man sich das nächste Jahr über die Zeit vertreiben kann, und zwar hier: Zum Jahresrückblick des Culturmag.


Und wenn man einfach einen Haufen Bücher nennen dürfte, zwanzig zum Beispiel? – Dann wären es außerdem diese noch, meine weiteren Krimis des Jahres:

Die besten Kriminalromane 2017: Weitere 20 Beste (von denen, die ich zu lesen geschafft habe…)

Österreich/Deutschland: Bernhard Aichner – Totenland (btb Verlag, Euro 19,99)
Deutschland: Max Annas – Illegal (Rowohlt, Euro 19,95)
USA: Tom Bouman – Auf der Jagd (ars vivendi, Euro 20)
Japan: Iori Fujiwara – Der Sonnenschirm des Terroristen (Cass Verlag, Euro 19,95)
Deutschland: Monika Geier – Alles so hell da vorn (Argument Verlag, Euro 13)
Deutschland: Norbert Horst – Kaltes Land (Goldmann, Euro 9,99)
Frankreich/Deutschland: Robert Hültner – Lazare und der tote Mann am Strand (btb, Euro 20)
England: John leCarré – Das Vermächtnis der Spione (Ullstein, Euro 24)
Frankreich: Sabri Louatah – Die Wilden. Eine französische Hochzeit (Heyne Encore, Euro 18)
Griechenland: Petros Markaris – Offshore (Diogenes, Euro 24)
Deutschland: Yassin Musharbash – Jenseits (KiWi, Euro 14,99)
Gabun: Janis Otsiemi – Libreville (Polar Verlag, Euro 14)
USA: George Pelecanos – Hard Revolution (ars vivendi, Euro 24)
USA: Lisa Sandlin – Ein Job für Delpha (Suhrkamp, 9,95)
USA: Wallace Stroby – Geld ist nicht genug (Pendragon Euro 17)
Frankreich: Estelle Surbranche – So kam die Nacht (Polar, Euro 16)
Vietnam/USA: Viet Thanh Nguyen – Der Sympathisant (Blessing, Euro 24,99)
Frankreich: Antonin Varenne – Die Treibjagd (Penguin, Euro 10)
Australien: David Whish-Wilson – Die Ratten von Perth (Suhrkamp, Euro 9,95)
USA: Dave Zeltserman – Small Crimes (Pulp Master, Euro 14,80)

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