Kniffliges Alltagsproblem für alle LiteraturfestivalveranstalterInnen: Wie fragt man einen Nobelpreisträger, um den herum erstmal alle in Ehrfurcht erstarren, ob man ein Selfie mit ihm machen kann? Semra Uzun-Önder, die übrigens heute, am 24.12., ihren Geburtstag feiert, wahrscheinlich nicht von ungefähr … – Semra also weiß die Antwort. Herzlichen Glückwunsch! Ach, und ja: Die Lesung mit Orhan Pamuk haben wir für WDR Cosmo aufgezeichnet: kommt am zweiten Weihnachtsfeiertag nebst manch anderen auch – von 20 bis 24 Uhr in unserer vierstündigen “Cosmo liest”-Sondersendung.
Und jetzt: Das Selfie mit Orhan
Schon merkwürdig: Dann sitzt Du da mit Orhan Pamuk in der Hotelbar – und überlegst: Ein Selfie mit ihm, das wär´s jetzt doch. Aber, mal ehrlich, kann man das bringen? Kann man einen Literaturnobelpreisträger nach einem Selfie fragen?
In 13 Jahren kommen ganz schön viele, äußerst interessante Begegnungen zustande, wenn frau ein Literaturfestival leitet. Das Treffen mit Orhan Pamuk, der im Oktober zu Gast war bei uns in Essen, war trotzdem ein ganz besonderer Moment
Pamuk kam auf Einladung des Literatur-Bündnisses Essen, zu dem auch das Literaturfestival Literatürk gehört.
Ich bin Mitbegründerin und Organisatorin des Literatürk Festivals, das seit 2005 jedes Jahr im Herbst in Essen stattfindet. Lange haben wir versucht Orhan Pamuk einzuladen. Aber wie das so ist, Literatur-Nobelpreisträger sind entweder ausgebucht, oder schreiben gerade an ihrem neuen Buch. In diesem Jahr hat es endlich geklappt. Ich muss gestehen, das war ganz schön aufregend. Jemanden wie Orhan Pamuk als Vorabveranstaltung für das Festival zu präsentieren – das ist schon eine feine Sache. Ein gebührender Übergang des Festivals ins Teenageralter.
Wir, also meine Schwester und Kollegin Fatma und ich, betrachten das Festival wie unser Baby. Wir hegen, pflegen und entwickeln es mit Leidenschaft. Anders lässt sich nicht erklären, warum wir mit einem knappen Budget und vielen Hindernissen soviel Herzblut in die Umsetzung setzen. Natürlich sehen wir uns als Brückenbauer und leisten durch Literaturvermittlung einen wichtigen Beitrag zum zivilgesellschaftlichen Miteinander. Aber mach´ das mal 13 Jahre lang, ohne die geringste finanzielle Absicherung!
Nun gut, zurück zu Pamuk. Als die Lesung begann und ein gut gelaunter Nobelpreisträger auf der Bühne die rund 1200 Gäste in der Lichtburg begeisterte, war da wieder dieser Augenblick: Fatma und ich sahen uns an und wussten, warum wir jedes Jahr all die Mühen auf uns nehmen.
Ein besonders rührender Moment für uns war, als Orhan Pamuk von seinen ersten Lesereisen ins Ruhrgebiet sprach, damals in den 80´er Jahren. Pamuk war damals noch gänzlich unbekannt – und wir im Grundschulalter. Tayfun Demir lud ihn nach Duisburg ein. Seit dieser Zeit habe sich viel getan, sagte Pamuk. „Die Menschen, die damals zu meinen Lesungen kamen, haben bereits Enkelkinder. Heute lese ich vor Ihnen – und ich schätze mich sehr glücklich, dass ich heute Abend mit den Kindern und Enkeln dieser Generation zusammensein darf.“ Wir sind sozusagen die Kinder. Zumindest zwei davon. Und es ist uns eine große Freude, daran mitgewirkt zu haben, dass dieses Zusammentreffen stattfinden konnte.
Ah ja, die Sache mit dem Selfie: Ich traf Pamuk vor der Lesung. Wir saßen uns mit einigen anderen in der Hotelbar gegenüber. Ich sollte das twittern, dachte ich mir. Ob er wohl etwas gegen Selfies hat? Just in dem Moment zückte er sein Handy aus der Tasche. „Ich sammele Erinnerungen meiner Lesereisen“, sagte er lächelnd – und machte das Selfie mit uns.