Eurer Literatürk-Festival findet jetzt zum 14. Mal statt. Hättet Ihr auch nicht gedacht, als Ihr 2005 gestartet seid, oder?
Haha. Nein, daran haben wir nicht gedacht, als wir gestartet sind. Im Nachhinein war das, was wir gemacht haben, so mutig wie notwendig. Die Begegnung mit den Autor*innen, ihren Arbeiten und dem Publikum, gepaart mit Lust, Neugierde und Zuspruch hat uns von Jahr zu Jahr weitergetragen.
„Literatürk“ – wie kam´s eigentlich zu dem Namen und was steckt dahinter?
Literatürk ist eine Wortneuschöpfung auf Grundlage des Wortes “Literatur”, das durch zwei Punkte auf dem U und ein dem Wort hintenangestelltes K “Literatürk” draus macht. Ein Wort, das es so nicht gibt, das sperrig und eingängig zugleich ist, und einen Raum für unser Vorhaben geschaftt hat. Wir haben uns die Frage gestellt, wie es um das Wissen und die Repräsentation von Einwanderungsrealitäten in der “klassischen” deutschsprachigen Literaturlandschaft bestellt ist. Es gibt und gab eine große türkischsprachige Minderheit in Deutschland, zu der wir auch gehören, für die es 2005 sehr wenig kulturelle Angebote gab. Dagegen wollten wir Abhilfe schaffen und Menschen, die wie wir in mehreren Kulturen und Sprachen beheimatet sind, Angebote machen. Das Bild der Türkeistämmigen ist zuweilen sehr verzerrt und der Begriff Türk* ein Reizwort. Damit wollten wir spielen. Das Türk* macht uns aber nicht aus, es ist nur eine Facette unter vielen.
Wie stark seid Ihr denn heute noch auf Literatur fokussiert, die in irgendeiner Form mit der Türkei zu tun hat?
Mit der Zeit haben wir das Festival weiterentwickelt, unser Programm erweitert und immer wieder neue Zugänge ausprobiert. Das Programm umfasst mittlerweile sowohl andere fremdsprachige Literatur in deutscher Übersetzung, als auch auf Autor*innen, die auf Deutsch schreiben, aber keine deutschen Muttersprachler sind. Darüber hinaus haben wir ein jährlich wechselndes Motto für das Festival eingeführt, dass keinen Türkeibezug hat. Gleichwohl bleibt der Türkeibezug ein Schwerpunkt des Literatürk Festivals.
Los ging´s diesmal schon vor der offiziellen Eröffnung, mit Nino Haratischwili. Wie war’s?
Nino Haratschwilli ist eine beeindruckende Sprachkünstlerin, und es war eine tolle Lesung vor ausverkauftem Publikum. Nino Haratschwili hat sich in ihrem Roman mit dem Tschetschenien-Krieg und der Frage beschäftigt, wie man zum Täter wird. Teile des Romans spielen auch in Deutschland und sind beiläufig eine sehr pointierte Bestandsaufnahme der Einwanderungsrealitäten in Deutschland. Woher nehmen Autor*innen ihre Inspiration? Können Autor*innen nur über das schreiben, was sie sind, und woher sie kommen, waren nur einige der interessanten Fragen, denen Nino Haratischwili gemeinsam mit dem Publikum nachgegangen ist.
Zum offiziellen Auftakt kam dann Dominique Manotti. Die Grande Dame der europäischen Kriminalliteratur. Was hat Euch bewogen, Sie einzuladen?
Der ausschlaggebende Punkt war, dass Kesseltreiben ein hochbrisanter Thriller über Wirtschaftskriminalität und das Spannungsverhältnis von Politik und Wirtschaft ist. Dominique Manotti stellt in ihren Romanen, von denen “Kesseltreiben” der neueste in deutschsprachiger Übersetzung ist, wirtschaftliche Sachverhalte mit den Mitteln der Literatur sozusagen vom Kopf auf die Füße. Hinzu kommt eine mutige Ermittlerin aus einer Einwandererfamilie in Frankreich. Das finden wir gut und das hat uns sofort gepackt. Zudem hatten wir mit der Buchhandlung “Proust Wörter und Töne” und dem Deutsch-Französischen Kulturzentrum tolle Partner für die Umsetzung.
Ihr verbindet Euer Festival immer mit einem Thema. Diesmal: „Mut“. Inwiefern „Mut“?
Mut ist ein schillernder Begriff und dem wollten wir auf den Grund gehen. Was bedeutet Mut eigentlich? Welche Handlungen sind mutig und welche nicht? Was bedeutet es, in der heutigen Zeit mutig sein? Wieviel Mut braucht es, um für seine Überzeugungen seine Stimme zu erheben? Und wieviel Furcht steckt in Mut? Diese und viele weitere Fragen haben wir gemeinsam besprochen, und je länger wir darüber gesprochen haben, desto vielschichtiger wurde der Begriff. Mut kann sowohl bedeuten, die Verhältnisse zu verändern und auf die Welt einzuwirken, aber auch, sich selbst zu verändern, seine Komfortzone zu verlassen, sich auf Unbekanntes einzulassen und etwas Neues zu wagen. Autor*innen müssen zuweilen sehr mutig sein und zuweilen auch die Leser*innen.
Hat man auch nicht oft, dass zwei Schwestern zusammen ein Literaturfestival organisieren. Vorteil oder Nachteil?
Definitiv Vorteil. Sista ist die Beste 🙂
Was wäre denn Euer Highlight, die Veranstaltung, die man auf keinen Fall verpassen sollte?
Jede*r Autor*in für sich genommen ist ein Highlight und lohnt entdeckt zu werden. Die Begegnung mit den Autor*innen und ihren Büchern ist immer wieder von Neuem spannend. Einige der Highlights der kommenden Tage sind die Lesung mit Mehmet Daimagüler über den NSU-Prozess, heute Abend im Ringlockschuppen Ruhr, die morgige Lesung mit Ivana Sajko im Museum Folkwang um 18:00 Uhr und die Compilation Songs of Gastarbeiter, die uns Imran Ayata und Bülent Kulukcu am 22.11. um 19:30 Uhr im Theater Freudenhaus im Grend vorstellen werden.
(Foto: Regina Völz)