Tag 121: Von der Anklagebank in den Zeugenstand

https://blog.wdr.de/loveparade-prozess/tag-121-von-der-anklagebank-in-den-zeugenstand/

Tag 121: Von der Anklagebank in den Zeugenstand

Kommentare zum Artikel: 0

Das ist ein Brett! Geschlagene zwei Stunden redet der Zeuge über seine Erinnerungen an die Loveparade 2010. Klar, dieser Zeuge weiß, wie das Spiel hier im Gerichtssaal läuft. Was er jetzt sagt, wird man ihn später wohl nicht mehr fragen. Der 47-Jähirge Ex-Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent saß selber bis vor wenigen Wochen auf der Anklagebank. 

Er beginnt seinen freien Vortrag im Jahr 2006. Er kümmerte sich damals unter anderem um die Musikauswahl in Schallers McFit-Studios. Später plante er die Loveparades in Essen und Dortmund; ein „großer Erfolg“, wie er resümiert. Nachdem die Loveparade in Bochum 2009 abgesagt wurde, weil es „immer wieder neue Sicherheitsbedenken“ gab, begannen die Planungen für Duisburg. 

Nur für kreativen Bereich zuständig

Der Zeuge erinnert sich an viele Vorbereitungstreffen und die „helle Aufregung im Produktionsbüro“ am Tag der Katastrophe. Nur: Bei aller Ausführlichkeit lässt sich wenig Handfestes aus seinen Aussage herausziehen. Seine viel diskutierte Funktion des „executive director“ kann der Zeuge nicht mit Leben füllen. Er sei halt auf einer Pufferebene zwischen Produktionsleitung und Schaller gewesen, sagt er. 

Bei finanziellen Fragen habe immer Schaller das letzte Wort gehabt, sagt der Zeuge. Sicherheitsfragen kann er nur oberflächlich beantworten. Immer wieder beruft er sich darauf, für den kreativen Bereich zuständig gewesen zu sein. Auch bei vielen Detailnachfragen des Vorsitzenden Richters bleibt er klärende Antworten schuldig. „Kann sein, dass…“, „würde ich vermuten“, „erinnern kann ich mich nicht“.

Bruch mit Schaller

Die Tage nach dem Unglück beschreibt der Zeuge als „unfassbar anstrengend“. „Wir haben wie manisch diese Videos angeguckt, um zu verstehen, wie die Abläufe waren“. Da er nach dem Unglück nicht vor die Kameras treten wollte – „mir gehört Mc Fit nicht, mir gehört Lopavent nicht“ -, sei es zum Bruch mit Rainer Schaller gekommen. 

Der Zeuge scheint sich in seiner Rolle nicht unwohl zu fühlen. Er redet und macht dabei nicht den Eindruck, Fakten bewusst zurückhalten zu wollen. Und dennoch bleiben die im Vorfeld erhofften Aha-Momente heute aus. Vielleicht spart er sich die für die kommende Woche auf. Dann wird das Gericht seine Befragung fortsetzen.  

Über den Autor

Geboren 1985 in Rees am Niederrhein. Studium in Bochum (Germanistik und Geschichte). Seit 2012 als Journalist in Duisburg. Onliner bei der WDR Lokalzeit aus Duisburg sowie Radiomacher (u.a. WDR5 und Deutschlandfunk Nova).

Top