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Aus Deutschland und Frankreich, aus dem Irak und dem Iran: Zwei starke Debüts “mit Migrationshintergrund”

Geboren 1980 in Teheran, Flucht nach Paris 1986 – Maryam Madjidi weiß, was es bedeutet, zwischen zwei Kulturen aufzuwachsen. In ihrem Debütroman “Du springst, ich falle” (Aufbau Verlag, Euro 18) begibt sie sich auf Spurensuche nach dem, was “Identität” bedeuten könnte, ihre Identität, in Frankreich, im Iran, in Erzählungen, in Erinnerungen. Die Gebrochenheit, die eine solche Suche bedeuten muss, um die jemand wie sie gar nicht herumkommt, spiegelt sie in der Struktur ihrer Erzählung, die mit vielen Perspektiven und Sichtweisen um die große Frage kreist, zusammengepuzzelt aus Dutzenden Splittern, Gedanken, Anekdoten, Erkundungen, Mutmaßungen. Das gelingt sehr stark und pointiert, sprachlich und auch formal, mit Bildern, die sich im Gedächtnis verankern; einer der beeindruckendsten Romane des Jahres bislang – “Du springst, ich falle” wurde mit gutem Grund als bestes Debüt beim wichtigen Prix Goncourt ausgezeichnet. (Übersetzt von Julia Schoch.)

“Beschreibung einer Krabbenwanderung” (Dumont, Euro 22), das Debüt von Karosh Taha, die im Ruhrgebiet als Lehrerin arbeitet, steht dem in nichts nach: Die Geschichte von Sanaa, 22, Studentin, ebenfalls im Ruhrgebiet, älteste Tochter einer kurdischen Familie, die, im Ruhrgebiet natürlich, in einer Platte lebt, in die es viele kurdische Exilianten verschlagen hat. Eine Art urbane Dorfgemeinschaft, mit allen Vor- und vor allem: Nachteilen. Dann zumindest, wenn “man” eine junge Frau mit, na ja, selbstbestimmtem Liebesleben ist. Sanaa lebt, wie sie will, ein bisschen zumindest, heimlich, da lässt sie es krachen; zugleich hat sie ständig mit Traditionen und Erwartungen zu kämpfen, auch in sich selbst. Und mit einem depressiven Elternpaar, das irgendwie wieder in die Spur gebracht werden muss – und so weiter und so fort… Eine intensive und schlau komponierte Geschichte, sehr packend zu lesen – eine Geschichte auch, der man in jeder Zeile anmerkt, dass sie nicht nur ausgedacht ist, sondern jede Menge eigenes Erleben enthält: Karosh Taha kam 1987 im Irak zur Welt, migrierte in den 90ern nach Deutschland. “Beschreibung einer Krannbenwanderung” ist zugleich auch ein Roman, der kenntnisreich und tief hineinführt in einen Teil der Gesellschaft, über den zwar viel diskutiert wird, Stichwort Integration, von dem aber die wenigsten sonderlich viel wissen. Auch insofern: Absolut lesenswert!

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