Big in Japan: Lesenswerte Kriminalromane von Iori Fujiwara, Kazuaki Takano und Tetsuya Honda

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Big in Japan: Lesenswerte Kriminalromane von Iori Fujiwara, Kazuaki Takano und Tetsuya Honda

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Kriminalliteratur aus Japan hatte man hierzulande bislang nicht so auf dem Schirm. Klar, ab und an erschien schon ein Genreroman von dort, angesiedelt meist in Tokio. Aber das waren Ereignisse mit Seltenheitswert, im Schnitt vielleicht zwei oder drei im Jahr. Wenn überhaupt. Um so erfreulicher, dass sich momentan ein regelrechter Trend abzeichnet: Krimis aus Japan, so scheint´s, sind gefragt bei den deutschen Verlagen, man traut ihnen derzeit wohl zu, auch auf dem hiesigen Markt bestehen zu können.

Zum Beispiel: “Der Sonnenschirm des Terroristen” von Iori Fujiwara, erschienen in Japan schon Mitte der 1990er Jahre – die Geschichte eines Mannes, der seit den Studentenunruhen in den 1970er Jahren incognito lebt, als Barkeeper einer runtergekommenen Klitsche. Durch einen Bombenanschlag, als dessen Verursacher er verdächtigt wird, muss Shimamura nicht bloß mit seiner Vergangenheit aufräumen, sondern sich auch der Gegenwart stellen, die wiederum, wie sich zeigt, viel mehr mit der Vergangenheit zu tun hat, als man meinen sollte. “Der Sonnenschirm des Terroristen” ist ein moderner Klassiker der japanischen Literatur – Autor Iori Fujiwara schrieb das Buch interessanterweise vor allem deshalb, weil er dringend Geld verdienen musste, um Spielschulden zu bezahlen. Ein Ausnahmekrimi, der raffiniert konstruiert und sehr smart erzählt ist, völlig zu Recht hat er es auf die Krimibestenliste geschafft. (Cass Verlag, Euro 19,95, aus dem Japanischen von Katja Busson)

Interessant auch der Roman “13 Stufen” von Kazuaki Takano, in dem er Autor einen an seinem Beruf zweifelnden Gefängniswärter sowie einen gerade auf Bewährung entlassenen Knacki als Ermittlerteam auf die Reise schickt: Die beiden sollen die Hintergründe eines Mordes aufklären, für den ein Mann zum Tode verurteilt wurde, der vermutlich zu Unrecht in Haft sitzt – und die Frist läuft ab, seine Hinrichtung kann jeden Tag angeordnet werden. Schuld, Strafe und Sühne – Kazuaki Takano erörtert dieses Thema in allen Facetten, zugleich erzählt er eine raffiniert konstruierte Krimigeschichte, und wie er die beiden Ebenen mit leichter Hand zusammen fügt, das ist hervorragend. Ein intelligentes Plädoyer gegen die Todesstrafe, die in Japan für Mord noch immer verhängt und angewendet wird; Kazuaki Takano belegt bestechend, und zwar auf vielen verschiedenen Ebenen, wie schnell alle vermeintliche Eindeutigkeit in Sachen “Schuld” Schall und Rauch sein kann, wenn man sich so einen Fall mit Mörder mal genauer anschaut. Der Roman ist allerdings eine nicht bloß für Japan, sondern allgemein, auch bei uns relevante “Recherche” zum Thema; neben dem Reflexionen zur Todesstrafe klingen viele “sonstige” Aspekte zum Thema an, auch jenseits dieser drastischten Form der Buße, mit der ein Verbrechen belegt werden kann. (Penguin Verlag, Euro 10. Aus dem Japanischen von Sabine Mangold.)

“Blutroter Tod”, so hieß der erste Roman des japanischen Erfolgsautors Tetsuya Honda um die junge, erfolgreiche Mordermittlerin Reiko Himekawa, bei uns heraus gekommen Ende 2016. Jetzt erschien “Stahlblaue Nacht”, der zweite Teil, der seinem Vorgänger in Nichts nachsteht: Ein komplexer, intelligenter und raffiniert konstruierter Polizeiroman – der seinen Fall aus vielerlei Perspektiven mit verschiedensten Stimmen erzählt, im Zentrum der Erzählung aber eine Frau präsentiert, die, klar, ganz und gar besonders tough sein muss, um sich in der krassen Männerwelt, in der sie ihren Weg geht, bewähren zu können. Thematisch geht´s diesmal auch um die Gentrifizierung in Tokio, um die Verflechtungen von Politik und Verbrechen – und um eine ganz spezielle japanische Variante des Umgangs mit dem Turbokapitalismus, der alle Lebensverhältnisse umgräbt: Unter anderem versuchen die Ermittler mehrere Selbstmorde auf Großbaustellen aufzuklären, begangen von Hochverschuldeten, um deren Angehörige sich dann das verantwortliche Unternehmen “großzügig” kümmert… Ein komplexer Polizeiroman mit einem HAUFEN an Charakteren, der sehr zeitgenössisch anmutet, in Japan allerdings schon 2009 erschien, dort auch hoch erfolgreich war, inklusive Verfilmung als Fernsehserie. Interessant übrigens auch, last not least, der Blick auf den alltäglichen Plump-Sexismus, dem die Heldin der Geschichte seitens einiger Kollegin ausgesetzt ist, eine permanente Begleitmusik in Altmänner-Moll. Wenn das Alltag ist in Japan – na dann, gute Nacht, die Herren! (Fischer Taschenbuch, Euro 10,99. Leider nicht direkt aus dem Japanischen, sondern aus dem Englischen übersetzt, das dafür von Irmengard Gabler)

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